Auslandsjahr: Schritte nach der Anmeldung

Thema: Auslandsjahr für Jugendliche.


Hat man mal einen Anbieter ausgewählt, den langen Fragebogen ausgefüllt und eine erste Anzahlung geleistet, so beginnt erst einmal das lange Warten. Die Agenturen behalten sich vor, bis kurz vor Schulbeginn ideale Gasteltern zu finden und sprechen meist von “spätestens vier Wochen vor Schulbeginn”, um Informationen zur Familie, Standort und Schule im Zielland zu übermitteln. Es gibt aber auch Ausnahmen.

Vorabinformationen

Wir kennen einen Fall, wo sehr schnell klar war, dass das Kind nach Maryland kommen sollte (obwohl Klettern und Berge ein klarer Wunsch waren). Trotzdem dauerte die genaue Information bis kurz vor Schulbeginn.

Es gibt auch den Fall, dass man sehr früh bereits einen Vorschlag einer Familie erhält. Die Agenturen sind ja darauf aus, Kinder möglichst optimal zu platzieren, das ist nicht nur ein nobles menschliches Ziel. Es ist auch für die Agentur mit einem grossen Mehraufwand verbunden, wenn unter dem Schuljahr ein Gastelternwechsel erfolgen muss. Diese Vorschläge sind allerdings mit Vorsicht zu geniessen, es kann sein, dass man dabei “schwer vermittelbare” Gasteltern bekommt. In unserem Fall handelte es sich um einen alleinstehenden Fussballtrainer. Das ist für ein Kind, das Fussball nur peripher interessiert, nicht so das Gelbe vom Ei. Natürlich kann man solche Vorab-Vorschläge ablehnen, nicht aber den endgültigen, wenn die ausgemachten Rahmenbedingungen passen.

Noch nicht Flug buchen und Anreise organisieren

Die heimische Agentur, in unserem Fall zugleich eine Reisebüro, findet diese kurzen Fristen natürlich auch nicht gut, weil sie nebenbei gerne Flüge vermittelt. Auch da ist auf den eigenen Standort und das Ziel zu achten. Letztes ist natürlich unbekannt. Unsere Agentur bietet promt einen Flug drei Monate vor Schulbeginn an, von Wien nach Paris. Auch ohne bekannten Ziel ist das verkehrt, denn von uns ist München viel näher und von dort gehen auch mehr Flüge ab.

Paris ist in der Tat eine Drehscheibe und bei der Agentur im Zielland wurde immer der kostenlose Transfer vom Flughafen Paris Charles de Gaulle hervorhoben. Wohl gemerkt nur von dort und nur zu einem anderen Flughafen um Paris und nur zu Bürozeiten. Nicht weil es gratis angeboten wird, macht es zwingend auch Sinn!
In Frankreich gibt es auch viele internationale Binnenflughäfen, die im Sommer vermehrt angesteuert werden (Schulbeginn bzw. Schulschluss fallen in den Flugreisesommer). Da kann man durchaus auch Direktflüge ohne sinnlose Umwege über Landeshauptstädte finden.

Diese Flugangebote sollte man allerdings auch prüfen wenn das Ziel bekannt ist. Unter Umständen findet man direktere oder bessere Verbindungen. Oder man reist zusammen ein Stück an (direkt vorbeibringen ist nicht erwünscht, siehe das Règelement). In Frankreich gibt es auch gute Zugverbindungen.

Auch nach der Verständigung heisst beim Organisieren der Reise abzuwarten, denn es kann Überraschungen geben. Auch bieten die Agenturen nicht unbedingt die billigsten Verbindungen an!

Die Verständigung

Die Information zu Ziel, Familie und Schule kommt geballt und ohne Vorwarnung. Das ist schon aufregend! Die Familie stellt sich mit Haus, Kind und Kegel vor, ebenso wird die Schule bekannt gegeben und im Internet findet man schnell weiterführende Informationen.

Trotzdem heisst es einen kühlen Kopf bewahren und alle Angaben genau zu prüfen. Erstens kann, wie oben geschildert, ein Flugangebot dabei sein, das nicht ganz optimal ist.

Aber auch die Angaben zur Familie und Schule sollten passen. Man kann und soll sich natürlich nicht die Haarfarbe aussuchen, aber es sollten die abgemachten Bedingungen eingehalten werden. Das können sein:

  • Familienzusammensetzung: Die Agenturen behalten sich zwar alle Möglichkeiten offen, trotzdem kann man fordern, dass sein Kind nicht zu einer alleinstehenden Person kommt.
  • Schulische Zwänge: Grundsätzlich entsprechen in dem meisten Zielländern die schulischen Rahmenbedingungen jenen in Heimatland, jedenfalls bis zur 10. Schulstufe, wo ja diese Auslandsjahre gemacht werden. Trotzdem ist es sinnvoll darauf zu achten, dass Fremdsprachen weitergeführt werden können. Unsere Bedingung war eben Italienisch als zweite Fremdsprache.

Die Agenturen versuchen einige der Wünsche der Kinder zu berücksichtigen, aber auf Umgebung und Sport wird so gut wie nie Rücksicht genommen. So kennen wir viele Fälle von begeisterten Schifahrern und Kletterern, die allesamt ins Flachland geschickt wurden. Auch Mitgliedschaften in Vereinen oder Leistungssportarten werden nicht berücksichtigt.

Es wird anscheinend besonders auf das menschliche Zusammenpassen des Kindes mit der Gastfamilie geachtet, das wird auch immer wieder betont. Wobei das alles wesentlich ungenau ist. Ich habe den Eindruck, dass vor allem auf annähernd gleichaltrige Kinder im Haushalt geachtet wird. Wobei man sich fragen kann ob 16-jährige mit 12-jährigen wirklich eine Freude haben werden oder ob Kinder aus geschieden Familien, die nur alle zwei Wochenenden im Haushalt sind, wirklich etwas bringen.

Manchmal werden aber unscheinbare Kriterien berücksichtigt. Unser Sohn verträgt kein Chlor (kann also in kein Schwimmbad und auch keinen Aussenpool gehen). Die zugewiesene Gastfamilie hat ein Swimmingpool im Garten, der mit Salzwasser befüllt ist!

Regionalkontakt

Neben der Familie und der Schule wurden uns die Kontaktdaten eine regionale Kontaktperson der Agentur mitgereitet. Es handelt sich bei uns anscheinend um eine Lehrerin, die nebenberuflich die Betreuung des ganzen Departements übernimmt. Als ich Fehler bei der Zuweisung entdecke (siehe unten), kontaktiere ich diese Regionalbetreuerin umgehend. Die Antwort kommt allerdings recht unwirsch von der zentralen Agentur,  “die Regionalbeteuung sei nicht für die Schuldetails zuständig”. Wofür sie sonst zuständig ist erübrigt sich mir noch nicht so recht. Vielleicht kommt das noch.

Nicht berücksichtigte Voraussetzungen seitens der Agenturen

Am Italienisch als zweite Fremdsprache hakt es bei uns allerdings. Die Schule in der Nähe der Gastfamilie bietet nur Deutsch und Spanisch an. Aufgrund der Lage am Land gibt es keine Alternative zu dieser Schule. Und das obwohl mit die Agentur im Zielland immer wieder bestätigt hat, dass diese Sprachwahl respektiert werde.

Ich hatte die heimische Agentur unter anderem genau wegen diesen Kriterium ausgewählt, andere Agenturen wollten sich gar nicht damit befassen oder boten kostenpflichtige Extrakurse an. Dabei ist “Italien en LV2” fast überall in Frankreich verfügbar.

Weder die heimische Agentur, noch jene im Zielland haben bei der Verständigung auf diesen Umstand hingewiesen. Es ist schwer zu sagen, ob es vergessen oder wissentlich unterschlagen wurde. Erst nach mehrmaligen Nachfragen sowohl bei der Zentrale im Zielland als auch bei der heimischen Agentur kam etwas wie eine Entschuldigung.

In einem mehrtägigen Email-Verkehr wurden mir zuvor besonders durch die Agentur im Zielland allerlei Märchen aufgetischt:

  • Dass es Italienisch als Fremdsprache nicht mehr gäbe. Eine einfache Websuche widerspricht dem schnell.
  • Dass es keine öffentliche Schule im Umkreis gibt. Hier auch Websuche und klarer Widerspruch.
  • Dass unter “derzeitigen Bedingungen” Schulen keine Gastkinder aufnehmen. Das ist Nonsens, es herrscht einfach Schulpflicht.

Das ist höchst gradig unseriös. Es können Fehler passieren, aber dann sollte man das zugeben. Es wurde mir auch angeboten eine 4 Mal weiter entfernte katholische Privatschule zu nehmen. Das ist aber für die Gastfamilie mühsam. Ausserdem halte ich nichts von diesem Elitismus.

Ich habe zuletzt zugesagt, dass unser Sohn in der geplanten Schule einfach Deutsch als zweite Fremdsprache nimmt. Bei der Rückkehr ist das kein logistisches Problem (es zählt das positiv abgeschlossene Schuljahr), aber natürlich fehlt der Stoff. In anderen Zielländern fehlen meist noch mehr Fächer. Er wird sich halt vor Ort fadisieren.

Kontaktierung der Gastfamilie

Wie oben beschrieben, bekommt man bei der Verständigung alle Daten: Name, Adresse, Kontaktdaten und Motivationsschreiben der Gastfamilie sowie der genaue Schulstandort (wird von der Agentur im Zielland ausgewählt). Die Agenturen raten dann sogleich Kontakt aufzunehmen. Das ist etwas kurios, weil einerseits lange keine Information vorlag, andererseits musste man bei der eigenen Bewerbung ein langwieriges Regelwerk unterzeichnen was man als Eltern alles nicht darf (unter anderem Besuchsverbot).

Am Telefon oder per Email entwickelt sich dann der erste Austausch. Es geht vor allem um Praktisches (Krankenkasse, Schule) aber auch im Familienregeln, die naturgemäss andere sind, selbst wenn das Zielland kein exotisches ist.

Man sollte mit der Familie auch alle wichtigen Punkte abklären, die man vermeintlich mit den Agenturen geklärt hat. So nimmt unsere Agentur vor Ort die Anmeldung in der Schule vor. Bei den Fehlern die zuvor in der Kommunikation entstanden (siehe oben) ist auch hier Vorsicht geboten, es gibt verschiedene Fremdsprachen, optionale Fächer etc. Und um wichtige Details wie die Anmeldung zum Schulbus kümmert sich die Agentur nicht, das muss die Familie vor Ort und jedenfalls vor der Ankunft des Kindes zu Schulbeginn machen.

Auch sollte man die Anreise mit der Gastfamilie klären, in der Regel werden sie das Kind am Flughafen oder Bahnhof abholen und da zählen nicht die strengen Daten der Agenturen (mir scheint die haben fix den 1. September in den Vorlagen), sondern die Zwänge der Familie im Zielland, die haben es vielleicht lieber, wenn das Kind am Samstag ankommt und nicht am Freitag Nachmittag.

Zeit vor der Abfahrt

Nach der Verständigung müssen offene Fragen mit den Agenturen geklärt werden, bei Änderungen müssen diese auch gegenseitig per Email bestätigt werden. Besonders die Bestätigung des Ankunftszeitpunkts geht über fünf Ecken: beide Agenturen müsse das bestätigt haben und Teilen die Information der Gastfamilie mit. Allerdings hatte man mit diesen ohnehin schon Kontakt aufgenommen und redet natürlich auch über die Anreise. Ich habe echt oft das Gefühl, dass von den EUR6000 für die Agenturen ein Grossteil in der Bürokratie verpufft.

Rein praktisch gibt es zu Hause natürlich auch noch einiges zu machen.

Heimische Schule

Die Schule sollte natürlich informiert werden (idealerweise noch zu Schulzeiten), auch wenn der Klassenlehrer schon mit dem Fragebogen belästitigt wurde.

Dieses Fernbleiben für ein Jahr ist zwar häufig, einen echten Modus dafür gibt es in den Schulen noch nicht. So werden in der 6. Gymnasium, oder im 10 Schuljahr allgemein, bereits einige Entscheidungen für die Matura getroffen (Wahlfächer, etc.). Theoretisch könnte man das alles schon am Ende der 5. Klasse ausmachen, aber dafür hat weder die Schule noch der Klassenlehrer ein Ohr. Es wird so laufen, dass sich die Klassenkameraden des Schülers darum kümmern müssen, diesen im Ausland zu kontaktieren, wenn es wichtige Entscheidungen zu treffen gibt. Mit Whatsapp & co ist das heute kein Problem, aber diese wichtigen Sachen einfach an Mitschüler auszulagern ist schon ein organisatorisches Armutszeugnis der Schulen.

Einfacher aber auch nicht zu vergessen:

  • Schulbücher des Jahres im Ausland. Diese können helfen, falls wirklich Stoff fehlt oder anders behandelt wurde. Durch Rücksprache mit den Klassenkammeraden können die Eltern diese Bücher abholen, wobei sie natürlich extra beantragt werden müssen.
  • Anmeldungen zu Freifahrtskarten in den Öffentlichen Verkehrsmitteln (für den darauffolgenden Sommer). Diese muss man in der Regel am Ende des Vorjahres beantragen.

Medizinisches

Manchmal muss man regelmässig Medikamente nehmen. Auch wenn die Welt zusammenrückt, gibt es diese nicht immer im Ausland oder sind anders zusammengesetzt. Das trifft zum Beispiel bei Entsensibilisierung bei Allergien zu, man muss unter Umständen mehrere Jahre Tabletten schlucken.

Das Problem ist hier nicht das Ausland, sondern die heimische Krankenkasse: man bekommt kein Rezept für ein Jahr, schon Rezepte über drei Monate sind “Chefarztpflichtig”. Man kann die Medikamente auch nicht nachschicken, denn man hat ja keine Versicherungskarte des Kindes bei sich. Für ein ganzes Jahr braucht es gute Beziehungen zu Hausarzt und Apotheker, die einige Augen zudrücken müssen.

Wiederkehrende Termine sollte man noch im Inland absolvieren: Augenarzt für neue Brillen, Orthopäde für neue Einlagen, etc.

Grundsätzlich sollte man mit der Gastfamilie potentielle medizinische Probleme besprechen. Allem vorbauen kann man allerdings sowieso nicht.

Ausweise

Pass und Personalausweiss

Kinder die reisen haben zwar einen Reisepass, aber den werden sie nicht die ganze Zeit mitführen, schon alleine das Format spricht dagegen. Wir haben also einen Personalausweis im Scheckkartenformat gemacht, weil man mit 15/16 ja auch noch keinen Führerschein hat. Das Ausstellen dauert, also sollte man es nicht kurz vor der Abreise machen.

Der Pass sollte besser auch die über die ganze Aufenthaltsdauer gültig sein. Alleinreisende Kinder werden oft genauer kontrolliert, da ist es besser, wenn die Papiere aktuell sind.

Reisevollmachten

In einigen Zielländern braucht ein alleine reisender Jugendlicher zusätzlich eine Geburtsurkunde auf welche die Eltern ersichtlich sind und eine Vollmacht zur Ausreise aus seinem Heimatland. Für Frankreich ist es nicht nötig, wir werden unserem Sohn diese Unterlagen aber in Kopie mitgeben. In Österreich gibt es Forularvorlagen beim ÖAMTC, sie nennen sich:

Einverständniserklärung für ein ohne Eltern / mit nur einem
Elternteil reisendes Kind
Parental Consent for a child travelling without the parents / with
only one parent

Die Franzosen haben besonders nach den Ausreisen von Jugendlichen in den Nahen Osten ein Formular im Umlauf, das allein reisende Kinder und Jugendliche beim Grenzübertritt mit sich führen müssen. Wohl gemerkt, das Règelement sieht vor, dass das Kind das Zielland während des Auslandsjahrs nicht verlassen darf, aber bei grenznahen Aufenthaltsorten kann das schon mal passieren. Das Formular heisst:

Autorisation de sortie du territoire (AST) d’un mineur non accompagné par un titulaire de l’autorité parentale
(article 371-6 du code civil ; décret n° 2016-1483 du 2 novembre 2016 relatif à l’autorisation de sortie du territoire d’un mineur non accompagné par un titulaire de l’autorité parentale ; arrêté du 13 décembre 2016)
cerfa 15646*01

Geld vor Ort

Die Gastfamilie kommt für Kost und Logis auf (unentgeltlich!), aber Schulbücher und zum Beispiel die Kantine müssen meist die leiblichen Eltern oder das Kind vor Ort zahlen. Viel geht per IBAN-Überweisung bereits direkt, aber das Kind braucht vor Ort auch Taschengeld, muss auf sein eigenes Geld zugreifen können und muss auch im Notfall Geld verfügbar haben.

Wir machten die Erfahrung, dass manche Zahlungen nur mit französischer Bankkomatkarte, einer Kreditkarte oder mittels Scheck gehen. Hier musste unser Sohn entweder uns Eltern bitten oder seine Gastfamilie bitten vorzustrecken und dann der Familie das Geld überweisen (wenn es schnell gehen musste).

Am einfachsten geht das mit einer Bankomatkarte. Banken stellen solche bereitwillig auch für Jugendliche aus (jung gefangene Kunden bleiben unter Umständen ein Leben lang). Die Konten sind bis 19 gratis und darüber hinaus bis 27 mit Studiennachweis. Wir haben das tägliche Limit bei EUR400 und die Überziehungssperre belassen.

Problematisch mit 15 Jahren: vor 14 kann ein Elternteil ein Konto für sein Kind eröffnen, nach 16 kann das Kind selber eines eröffnen, dazwischen müssen ein Elternteil und das Kind persönlich in die Bankfiliale gehen.

Der Geldbedarf ist vor allem am Anfang gross: Hefte, Stifte, Mappen und in Frankreich müssen auch die Schulbücher gekauft werden. Dies ist alles vom Kind zu begleichen.


Drehscheibe des Train de la Mure in St.-Georges-de-Commiers

Drehscheibe des Train de la Mure in St.-Georges-de-Commiers

 

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