Exkursion in Vancouver

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Mittwoch, 12. Juni 1996

Erster Morgen in Amerika

Morgens Frühstück gegenüber bei Bino’s, einem sog. Familyresaurant in dem Amerikaner den Grossteils ihrer Mahlzeiten zu sich nehmen, wenn sie nicht gerade beim Fastfood zuschlagen. Die angebotenen Frühstückversionen sind typisch amerikanisch, sprich üppig, man kann auch Tost mit Marmelade bestellen, dieser wird allerdings in heisser gesalzener Butter getränkt. Geschmackssache, für österreichische Mägen eher ungewöhnlich. André nahm eine kräftige Portion mit Speck und Eiern zu sich, irgendwie notwendig nach dem letzten Tag, ausserdem war es auch das halbe Mittagessen.

Es gibt noch immer keine Vans, somit gilt es bei der Kassa Kleingeld für den Bus zu ergattern. Für Öffis und fürs Telephonieren braucht es immer jede Menge Coins und Quarters. Und das am Kontinent des Plastikgelds!

Treffpunkt 08:30, als wir endlich fahren ist es leicht 9:15, das liegt nicht nur an der logischerweise etwas lähmenden Gruppendynamik, sondern auch daran, dass der von uns erwünschte Bus recht selten fährt. Kommt er dann, ist er hoffnungslos überfüllt und unsere Gruppe wird vom Busfahrer nicht akzeptiert. Also muss man auf den nächsten warten.

Concord Pacific Place

Stadtplanungszentrum im Concord Pacific Place: Diskussion rund um Stadtmodell Vancouvers, Gestaltung der restlichen nicht-verbauten oder freigewordenen Räume an der SE-Küste der Downtown-Insel am False Creek.

Wir treffen uns um 10:00 mit einem Stadtplaner bezüglich der derzeitig durchgeführten Downtown-Aufwertung. Es folgt eine Diskussion rund um das Stadtmodell Vancouvers über die Gestaltung der restlichen nichtverbauten oder freigewordenen Räume an der südöstlichen Küste der Downtown-Insel am False Creek.

Zusammenfassend können wir folgende Informationen zu Vancouver als Gesamtstadt festhalten:
Relativ hohe Bevölkerungsdichte, da zwischen Meer und Gebirge wenig Raum für die sonst typische amerikanische Flächenausdehnung der Städte und Metropolen vorhanden ist. Trotzdem leben 95% der Bevölkerung in Einfamilienhäusern.

Ausgliederung des Industriesektors (Schiffsverkehr, Sägewerke, etc.) in Richtung North Vancouver. Für amerikanische Verhältnisse existiert in der Stadt ein hohes Umweltbewußtsein: Greenpeace wurde in Vancouver gegründet.

Starke Einwanderung (besonders aus Asien), Vancouvers Zentrum hat 500000 Einwohner. Pro Jahr kommen 40000 Immigranten hinzu (besonders aus pazifischem Raum darunter 25-30% Chinesen), die vor allem in den flachen Suburbs unterkommen. Dies schränkt aber die landwirtschaftliche Nutzung des fruchtbaren Talbodens ein. British Columbia (BC) hat wenig Landwirtschaft.

Die Einwandernden selbst variieren und somit kommt es zu unterschiedlichen Schwerpunkten abhängig von den verschiedenen Kulturen. So sind z. B. die Asiaten nicht an Einfamilienbehausung interessiert; Mexican families sind wiederum eine schwache Lohngruppe die Einfamilienhäuser suchen. Auffallend ist, daß hier in Vancouver die Ausländer nicht rund um das Zentrum wohnen, wie es in vielen anderen amerikanischen Städten der Fall ist. Die Stadtverwaltung versucht – erfolgreich – die sozialen und kulturellen Gruppen im Stadtgebiet zu vermischen. Für Boden, der der Stadt gehört und den sie zum Bau vergibt, gibt es Auflagen, die erfüllt werden müssen; z. B. bestimmte Anteile an einzurichtenden Wohnungsarten: Low income, Familienwohnungen, usw.

Es gibt in Kanada eine Etappenwanderung abhängig vom Preisgefälle der Städte untereinander. Vancouver ist ein teures Pflaster seit der Expo’86. Der Bauaufschwung führt zu höheren Preisen.

Zur Downtown

Es besteht das Ziel, die Downtown durch mehr Bewohner rund um die Uhr sicherer zu machen. Also wird der Wohnungsbau forciert, damit es dort nicht nur Arbeitsstätten gibt. Die Gemeinde besitzt viel Land und betreibt auch sozialen Wohnbau. Außerdem will man den toten Eindruck am Wochenende bekämpfen.

Weiters wird an der Verbesserung des öffentlichen Verkehrsnetzes zwischen Suburbs und Downtown gearbeitet.

In den 80er Jahren förderte man noch den Individualverkehr, heute lenkt man eher in die Gegenrichtung. Der Autoverkehr wird eingeschränkt: es gibt weniger Parkplätze in der Downtown, auch keine Freeways mehr.

Es herrscht Konkurrenz zwischen den beiden Stadien zu Lasten des größeren BC-Place-Stadium.

Zum geplanten Downtown-Place-Areal

Nutzung des alten Expo-Areals (Weltausstellung 1986) und alter, durch Schwermetalle belasteter Hafen- und Industrieareale zum Wohnungsbau. Der False Creek wurde stark mit Material aufgefüllt. Heute gibt es eine viel geringere Wasserfläche, gerade diese ist aber von großer Bedeutung für die Stadt.

Wohnviertel rund um den False Creek: gruppenartige Anordnung der Gebäude bzw. absichtliche Konstruktion von schmalen und hohen Wohntürmen auf breitem Podium, da alle einen Blick auf die Berge und/oder auf das Wasser haben sollen. Es gibt große öffentliche Parks. Die Bewohner sollen das Wasserareal genießen können z. B. durch Walkways am Ufer des False Creek.

Die Wasserfläche wird richtiggehend „gemanagt“, durch Einschränkung der „Marinas“. Hausboote und Boot-Garagen sind nur in bestimmten Buchten erlaubt. Am Südrand des False-Creek werden auch keine Hochhäuser gebaut. Die Gebäude werden Richtung Wasser abgestuft, damit nicht ihre Schatten auf das Ufer fallen. Außerdem sollen ganze Communities gebildet werden. Das sind Wohngebäude kombiniert mit Erholungszentren, Einkaufszentren, u.s.w. Beispiel Granville Island: hier sind viele Möglichkeiten vereint (Industrie, Theater, Kino, Lokale…)

Canada-Place-Center

Besuch beim österreichischen Handelsdelegierten für BC und Alberta im Canada-Place-Center an der Waterfront mit Ausblick auf den Burrard Inlet und North Vancouver. Er vertritt österreichische Zulieferfirmen (z. B. Ausrüstungsgegenstände für die Industrie) mit einem Betreuungsbereich von BC und Alberta, knüpft Kontakte für österreichische Exporte und betreibt ehrenamtlich Österreichwerbung. Laut ihm soll es 10 bis 12000 Österreicher im Raum Vancouver geben, darunter auch schon einige der zweiten Generation. Thema Weinskandal: 1996, 10 Jahre danach, wird erstmals österreichischer Wein wieder im Land angeboten. Weitere Exportartikel: hauptsächlich Ausrüstung, Maschinen, Chemikalien, wenig Konsumgüter und Tourismus, 1997 soll es erstmals ein österreichisches Neujahrskonzert geben. Da Vancouver aber im pazifischen Handelsraum liegt, gibt es eher wenig Verbindungen mit Europa.
Unser Eindruck ist trotzdem, dass er sich nicht unbedingt einen Haxn ausreisst.

Simon Fraser University

Die Mittagszeit verbringen wir an der Simon Fraser University. Ein älterer Geographieprofessor führt uns durch die Uni mit anschließendem Mensa-Besuch. Ein im Keller befindlicher Fastfood-Court mit großer Auswahl, nicht nur zwischen Germknödel und Wiener Schnitzel, sondern italienischer, chinesischer, vietnamesischer und diverser anderer Küchen. Auffallend waren die vielen asiatischen Studenten. Christian haben die Leute beim Flambieren der Spaghetti beinahe die Haare verbrannt, da er neugierig beim Kochen zuschauen musste. Aber es war nicht so schlecht, wenn auch mit Plastikbesteck.

Besichtigung der Stadt vom hohen Observation-Deck der Uni. Der rasante Aufzug an der Außenwand des Turms endet mit einem unerwartetem “Eintauchen” ins Dach.

Gastown

Hotel Europe in Gastown

Führung durch das Altstadtviertel aus roten Ziegelhäusern, mit den Touristenattraktionen Steam-Clock, der einzigen Dampfuhr der Welt von 1875 und die, dem Namensgeber Gassy Jack (John Deighton 1830-1875) gewidmete Statue, eines von Gschichterln umworbenen Saloonbesitzer der 1880er Jahre. Gastown war das erste Zentrum von Vancouver, brannte jedoch 1886 ab. Es entwickelten sich in diesem, der Railway-Station naheliegendem Gebiet Sozialprobleme (Drogen, Alkohol). Etwa 1970 wurden wieder Gebäude gebaut, daraufhin entwickelte sich dieser Stadtteil zum Touristenzentrum. Renovierte Gebäude aus der spätviktorianischen Zeit, Boutiquen, Andenkenläden, Galerien und Strassenkaffees reihen sich aneinander. Allerdings wurde das Problemgebiet nur weiter entlang des Hafens verlegt, und zwar Richtung “Japanerviertel”.

Eine schmale Sache sind Zimmer am Eck in dem Haus Adresse 43 Powell Street. 1908 im Flatiron-Stil (Bügeleisen-Stil) als erstes feuerfestes Stahlbetongebäuse Westkanadas errichtet.

Japanerviertel und Oppenheim Park

Wir gehen entlang der Powell Street in Richtung Südosten durch das kleine japanische Viertel, wo die Bewohner noch bis in dieses Jahrhundert stark unterdrückt wurden. Es geht vorbei an der Chinatown in die Downtown East Side, einem ziemlich heruntergekommene Viertel mit dem Oppenheimer Park. In diesem unternehmen wir, auf die  Vans-holenden Professoren wartend, Sozialstudien. So scheint das Aushängeschild der Gegend der Müllsack zu sein, viele tragen einen mehr oder weniger vollen mit sich herum.

Nach längerer Wartezeit entschließen wir uns zu einem Pub bei der Uni zurückzukehren. Kurz vorher treffen wir zufälligerweise unsere nun doch Vans-besitzenden Professoren und fahren noch ein paar Meter (übrigens offizielle Maßeinheit Canadas) zum Pub.

In dem eher schickeren Pub in Uni-Nähe werden verschiedene Biersorten angepriesen, und wir kosten uns durchs Sortiment: generell wenig Kohlensäure, wenig bis kein Alkohol, eher ölig, nicht sehr kalt und keine Bierdeckel. Amsterdam wo bist Du?

Beim Wegfahren entscheidet sich die Buszusammensetzung. Für den Grossteil der restlichen Exkursion soll der blaue Van, später Adlerauge genannt, mit Baumi und Christine, folgende neun, wie abgemacht, mit sich führen: Eva, Christian, Lisi, André, Andrea, Lemmi, Gudrun, Moni und Tina. Die Reihung entspricht auch einer häufigen Sitzordnung, eigentlich aber eher erst gegen Ende der Tour. Die Vans waren 14-Sitzer, aber die letzte Bank war ausgebaut um unser Gepäck transportieren zu können. Diese Gefährte durfte man nur mit 26 Jahren chauffieren, weshalb recht wenig Teilnehmer der Exkursion als Lenker in Frage kamen.

Downtown-Rundfahrt am späten Nachmittag

Mit den neuen, noch ganz sauberen Autos kurven wir durch die Downtown, schauen uns bei der Gelegenheit die Robson-Street (eine Einkaufsstrasse), den Stanley Park, die English Bay und die English-Beach an und bekommen erste Eindrücke vom unerwartet ruhigen Verkehr. Wir sehen auch Polizisten auf Fahrrädern.

Wieder im Ramada Hotel

Um 18:00 haben immer noch einige Nachwehen des Flugs, alle schauen dass sie noch eine Kleinigkeit zu Essen bekommen. Christian und André machen sich auf die Suche nach einem Mall zum Reiseproviant-Einkaufen. Als wir einen der viel umworbenen Einkaufstempeln finden, ist dieser allerdings schon lange geschlossen. Das mit dem 24-Stunden-Offenhalten stimmt auch nicht überall. Am Rückweg stolpern wir am Broadway doch noch über einen, mit unseren vergleichbaren Supermarkt. Uns quälte schon am zweiten Tag die bevorstehende Kodak-Film-Not, wir fanden auch Kodak-Elite, doch zu Wucherpreisen. Obst hatten sie dort auch keines, aber dafür Cookies, Christian nahm sie gleich im Doppelpack, die nächsten sieben Wochen sollte der Vorrat nur selten ausgehen.

Abend in Hard Rock Cafe Vancouver

Ziemlich müde, aber doch, entschliesst sich Christian, mit einer Partie von Leuten (naja, es war mindestens die Hälfte aller!) wieder in die Stadt zu fahren. Wir nehmen den selben Bus wie in der Früh, bewundern das System der Buskarten: der Fahrer reisst die Karte so ab, dass das Gültigkeitsdatum / Uhrzeit sichtbar bleibt. Jede Viertelstunde schiebt er die Karten etwas weiter, und reisst sie wo anders ab. Fahren also über die Cambie St. Bridge, mit tollem Blick über die Downtown, steigen dann bald aus.

Mit Karte und Erinnerungen gewisser Leute finden wir das Hardrock Cafe in der Hastings Street. Aber auch die Freundlichkeit der Kanadier schlug wieder voll durch: Nur kurz mit der Karte in der Hand stehen, schon wird man gefragt: “are you lost?” Dort setzen wir uns in den 1. Stock – sind doch eine grosse Partie. Es wird voll eingeschnitten. Riesenprotionen das Essen! Auch das Getränk: Cola, fast ein Liter, wobei der Becher voll mit Eiswürfeln ist. Das war nicht so toll, weil es im Raum so eiskalt klimatisiert war. However, es war richtig angenehm warn, wieder ins Freie zu kommen. Dann machten wir noch einen Spaziergang durch die Downtown. Die Granville Street entlang, viel Jugend und viele Sandler, die uns alle anbettelten, waren zu treffen. Naja, bei der Granville Bridge waren wir schon ganz schön geschafft, aber es war noch weit bis zum Ramada-Hotel. Wir sahen ein kleines Foodstore, das noch zu Mitternacht offen hatte (also gibt es diese Geschäfte doch).

Bis zum Hotel war Christian aber schon so schwindlig vor lauter Müdigkeit, dass er den tollen Blick über die Downtowm kaum mehr wahrnehmen konnte. André hat den Abend wohl schlafend im Hotel verbracht, da er daran keine Erinnerungen hat…

Donnerstag, 13. Juni 1996

Wieder Frühstück um 08:00 bei Bino’s, diesmal weiss man schon eher was man will und ist nicht ganz so verwundert über das aufgetischte. Die Funkgeräte werden eingebaut und die erste Tagesetappe kann beginnen.

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