Prince George

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Der Ort ist nicht so berühmt, aber es gibt hier eine Uni und schliesslich sind wir hier auch mit einer Universitätsexkursion unterwegs. Uns begleitet Prof. Gottesfeld, Professor für physische Geographie an der Universität Prince George. Viel Information daher.

Über Prince George

Diese große Ortschaft (75079 Einw., im Distrikt Fraser-Fort George 97816 Einw., 1995) macht keinen guten Eindruck. Man fährt durch die Areale der Forstindustrie, in der Ortsmitte sucht man vergeblich eine Art von Zentrum, und die sonst schön herausgeputzten Einfamilienhäuser fallen auch erst nach gezielter Suche auf. Eine relativ starke Armut, Alkohol- und Drogenprobleme stechen ins Auge. Viele Indianer sandeln durch die teils unasphaltierten Straßen. So hat sich Christian immer Sibirien vorgestellt.
Beim Versuch in einem für den amerikanischen Kontinent doch so typischen Supermarkt einzukaufen, erlebt man auch seine Wunder. Es ist kurz nach 17:00 und doch sind die Parkplätze davor leer. Einige Leute grillen. Bei näherer Betrachtung handelt es sich um Streikposten. Die älteren Supermärkte sind im Streik seit ein neuer eröffnet wurde…

Dieser traurige Eindruck geht unter anderem auf die rasante Entwicklung in den letzten Jahrzehnten zurück. Erst 1912 wurde die Eisenbahnlinie über den Yellowhead Pass fertiggestellt, zuvor war die Gegend nur über den Fraser River erreichbar, und bis auf den Stützpunkt Fort George der Hudson Bay Company (unbedeutend, seit 1808) quasi unbewohnt. Damals siedelten etwa 3000 Weiße in dem Gebiet. Erst ab den 20er Jahren entwickelten sich die Land- und Forst­wirtschaft entlang der Eisenbahnen. Einen Rückschlag stellte der Zweite Weltkrieg dar, da viele wegzogen und nicht mehr zurückkamen. In den 50er Jahren wurden Sägewerke und Papierfabriken gebaut. In den letzten 20 Jahren erfolgte der Ausbau der Straßen und eine Entwicklung zum Warenumschlagplatz für die Nord-Süd-Richtung (Hwy 97) und Ost-West-Richtung (Yellowhead Hwy 16).

Wirtschaft im Gebiet um Prince George

Seit etwa 1950 nimmt die Rodung der Wälder rund um Prince George stark zu. Die gefällten Bäume müssen von immer weiter (bis zu 350 km) per Truck in die hier konzentrierten 5 Sägewerke gebracht werden. Die Transportkosten für die bevorzugten Fichten werden demnächst den Standort untragbar machen. Verschärft wird die Situation dadurch, daß kaum neuer Wald nachgepflanzt wird. Die Klima- und Boden­verhältnisse würden einen Nachwuchs, so daß er wirtschaftlich nutzbar wäre, auch nicht zulassen. So werden die 5 Sägewerke und die große Zellulosefabrik (billiges Zeitungspapier für die USA) in den nächsten 30 Jahren abgesiedelt werden müssen. Der Wald würde 100 Jahre zur Aufforstung benötigen, in 30 Jahren wird aber bereits das ganze Gebiet abgeholzt sein. Heute werden 10 mio m³ Holz pro Jahr, das sind etwa 50000 ha pro Jahr (Distrikt Fraser – Fort George) abgeholzt. 99% des Waldes stehen unter der Verwaltung der Provinz British Columbia, die die Abholzrechte an private Großunternehmen abgibt, diese Entwicklung an sich steuern könnte.

Prince George liegt an der Mündung des Nechako River in den Fraser River. Dieses Potential wird ohne viel Respekt vor der Natur hydroelektrisch genutzt. Der Nechako River wurde zu dem gewaltigen Natalkuz Lake (mit allen Seitenarmen mindestens 400 km lang) aufgestaut. Mit Hilfe eines Tunnels durch die Coast Mountains wird das Wasser zum Pazifik hinuntergeleitet, wo es dank der 800 m Fallhöhe die gewaltigen Energiemengen, die für die Aluminiumschmelze in Kitimat (eine der größten Schmelzen der Welt) benötigt werden, erzeugen kann.

Donnerstag, 20 Juni 1996

Frühstück im McCloud 9

Das Hotel war nicht eines der Herausragendsten und der Professor der hiesigen Uni schlug uns vor in ein uriges Lokal frühstücken zu gehen, wo auch die Trucker vorbeikommen würden. Er hat halt noch nie ein heruntergekommenes Wiener Beisl oder eine mostviertler Buschenschank gesehen. Es war ein ganz normales Restaurant, eine “Eatery”, mit ekelhafter Klimaanlage in aller Herrgottsfrüh und, zugegeben ein paar Truckern. Der urigste von allen war eigentlich der Professor selbst, er bestellte sich eine Portion “All Canadian”, einem kalorienhältigem Mischmasch wie man es an sich nur nach einer mehrwöchigen Bergtour wegputzen kann. Wir versuchten so gut als möglich mit der Speisekarte das anzupeilen was wir unter “Frühstück” verstehen, das gelang bedingt. André sieht noch Christian vor sich beim Versuch seine im Mund immer mehr werdenden “All Bran” hinunterzudrücken. Aber hungrig ging niemand. Den Damen soll auch ein Kellner aufgefallen sein (“Peter Gruber”), so sehr, dass sie sehnsüchtig auf unserem zweiten Besuch in Prince George warteten. Was André betrifft, so sind ihm diesbezüglich andere Lokale besser in Erinnerung.

Der Tag selbst, in diesem “Vergnügungsprotokoll” eine Nebensächlichkeit, soll einer der anstrengendsten werden, wir haben ja schliesslich einen vierten Professor mit, und zur Abwechslung und zu unserem Unglück kennt dieser sich in der Gegend aus…

Neue Universität von Prince George

Die Uni liegt etwas außerhalb auf einer vorgelagerten Erhebung im Westen. Man sieht gut auf die in einem Becken liegende Stadt mit ihrer Holzindustrie.

Die Prince George Area besteht aus verschiedenen Terrains: tropisch-pazifisches Material und Jurassische Inselbogenteile. Im Quartär war das gesamte Gebiet stark vergletschert. Danach kam es zur Ausbildung von großen Seen. Wir befinden uns am ehemaligen Ufer (Strand) einer Insel des riesigen Eisstausees, der dieses Becken zum Ende der letzten Eiszeit gefüllt haben soll. (In EW-Richtung 200km und in NS-Richtung 300km lang). Der See war im Norden und im Westen durch verbleibende Eismassen aufgestaut Dadurch kam es zu flachen Ablagerungen, die heute große Probleme machen. Der Fraser River schneidet sich in die Sedimente ein.

Die geologische Grundstruktur verläuft im gesamten Raum NW-SE, jedoch erstrecken sich die vielen Drumlins im überall anzutreffenden Moränenmaterial des Gletscherzerfallsgebiets NE-SW. Eine Theorie behauptet, die Drumlins wären unter einer aufschwimmenden Eisdecke entstanden. Dafür spricht die späte aber mächtige Vergletscherung (bis zu 3000 m), die dementsprechend lange zum Abschmelzen brauchte. British Columbia hatte übrigens eine eigene Eisdecke, neben dem großen Canadian Laurentian Iceshield. Weiters sind einige Drumlins hufeisenförmig ausgebildet und es ist auch ein kanalartiges System ausfindig zu machen, was eine starke Wasserströmung unter der Eisdecke (zusätzlicher Druck) deuten könnte, die auch Drumlins bilden könnte, oder aber auch auf ausbrechende subglaziale Seen.

Fragwürdig wird diese Theorie durch die erwiesene Tatsache, daß z.B. Schelfeis erst unter einer Mächtigkeit von 30 m aufschwimmt. In der Übergangsphase können die Drumlins auch nicht entstanden sein, denn der Eiszerfall geht sehr schnell voran, sobald die Eisdecke vom Ozean her angegriffen und zerstückelt wird. Im Raum Prince George hat sich außerdem nur ein Forscher (Shaw) mit dem Problem beschäftigt.

Die Universität selbst ist nagelneu und 1994 eröffnet worden. Man hat versucht, den klimatischen und natürlichen Gegebenheiten Rechnung zu tragen. So besteht der Komplex aus mehreren sehr unterschiedlichen Gebäuden, alle sollen aber das Licht so gut wie möglich ausnutzen. Auch achtete man darauf, viel Holz und natürlichen Stein in die sonst moderne Substanz (Alu-Träger) einzubringen. Alle Gebäude sind durch verglaste Korridore miteinander verbunden, was die Nutzung im langen Winter (Okt. – April) erleichtern soll. Doch passieren auch bei so durchplanten Projekten Fehler, vielleicht auch weil man mehr einem bekannten Architektenbüro aus Vancouver vertraute. So wäre einem Einheimischen sofort am Plan aufgefallen, daß der große zentrale Platz völlig unnutzbar wird, sobald der erste Schnee liegt, da die Türen (übrigens Fluchtwege) – ohne Niveauunterschied konstruiert – durch den Schnee blockiert werden.

Die wichtigsten Studienrichtungen sind Forstwirtschaft (500 Studenten), Psychologie und im geringeren Maße Geographie. Die Studiengebühren betragen Can$1600,- im Jahr, jedoch werden die Studenten bis zu 80% vom Staat unterstützt. Trotzdem gibt es wenige “native”- Studenten – nur 20 bis 30 von den insgesamt 2000 Studenten sind indianischer Abstammung.

Drumlin-Anschnitt am Straßenrand nahe der Uni

Die eingelagerten tennis- bis fußballgroßen festen Moränenbestandteile sind gerundet, jedoch nicht geschichtet gelagert, es ist also kein Flußmaterial. Glazial bedingte Ritzungen sind auf dem metamorphen Gestein (Basalte, Schiste) aber schwer ausfindig zu machen. Das restliche Material weist eine tonig-schluffige Matrix auf (hoher Schluffanteil), es läßt sich ein Ball formen. Aufgrund des metamorphen Grundgesteins, findet man am Drumlin unterschiedliche Gesteine.

Stopp am Ufer des glazialen Sees

Hier trifft man auf eine wesentlich sandigere Matrix, der Ball läßt sich nicht mehr so gut formen. Die Schlammbestandteile nehmen zu, je weiter man sich „in den See“ hineinbewegt (Warven), bis im unteren Bereich treten limnische Sedimente auf. Am Eisrand ist auch Fremdgestein anzutreffen, hier kommt es zu eratischen Phänomenen.
Hwy 97 North

An den Ufern des Fraser River

Wir fahren durch eine Siedlung am ebenen und überschwemmungsgefährdeten rechten Ufer zum Fraser River (Wunden in den Rinden der Bäume am Ufer sind in relativ großer Höhe erkennbar). Die kleinen flachen Holzhäuser sind hier das Standardwohnhaus, sie werden in etwa drei Wochen errichtet, kosten um die Can$170.000,- und überschreiten kaum eine Lebensdauer von 50 Jahren.

Ufer des Fraser River

Der Fraser hat nun einen relativ hohen Wasserstand bei 5000-8000 m³/sec. Prince George liegt auf einen tiefen Niveau, wo sich der Fraser River wieder eingeschnitten hat. Hier sind die Sedimente nur ca. 10 m mächtig. Das linke Ufer gegenüber ist viel steiler und etwa 45 m hoch senkrecht angeschnitten. Dies gewährt einen guten Einblick in die Quartärsequenz:
In den unteren Schichten findet man fluviatile Schotter, die darüber nicht mehr vorkommen. Der Fraser River muß innerwürmeiszeitlich (etwa Wisconsin) von den vorstoßenden Gletschern wahrscheinlich blockiert, und dadurch aufgestaut worden sein.

Gelbe Sande und Schotter, die nach oben gröber werden.

Darüber folgt eine grau-braune Schicht: Moräne und glazio-fluviatiles Material der Till-Fraser Eiszeit (Ende Wisconsin, nach 30000 Jahre).

Eisseesedimente, 10000 Jahre
ganz oben erkennt man bereits die Bodenbildung aus dem Holozän.

Diese Schichtung hat für dieses Gebiet schlechte Bedingungen für die Landwirtschaft zur Folge, auch der Wald braucht überdurchschnittlich lange bis er sich nach einem Kahlschlag regeneriert. Der Fraser hat nach dem Eisrückzug und dem Abschwellen des Sees das ganze Becken auserodiert

Beaverlay Slide am Chilako River

Hwy 16 West

Ein 10 km langer Bereich im Chilako Valley, wobei es sich um einen Seeabfluß mit mächtigen Ablagerungen handelt. Der Fluß hat das Tal ausgeräumt. Heute ist es jedoch ein “underfit stream”, also ein kleiner mäandrierender Fluß, der dem Großen Tal nicht angepaßt ist.

Warven

An einer nicht befestigten, relativ neu errichteten Straße sind Warvenaufschlüsse ersichtlich. Diese Bändertone sind jährlich geschichtete Seeablagerungen; im Winter dünner, feinkörniger und dünkler, im Sommer umgekehrt. Eine Warve stellt immer ein Jahr dar. Je tiefer unten sie liegt, desto mächtiger fallen die Warven hier aus (bis zu 15cm). Der Aufschluß hier erstreckt sich über 70 Jahre (d.h. der See war hier nur für 70 Jahre vorhanden).

Außerhalb des Seebereichs

Wir finden 3 verschiedene Schottermaterialien, auch vulkanisches Material (von spättertiären Vulkanausbrüchen), typisch für das Nechako Plateau. Die Unebenheiten im Gelände sind durch Toteis entstanden. Im weiteren Straßenverlauf sind noch einige Toteisseen erkennbar, die am Verlanden sind. Stellenweise erfolgt eine Sortierung von Grobmaterial durch Wasser unter der Eisdecke.

Die Oser sind ohne Ton- oder Schluffanteile und somit gut für den Straßenunterbau zu gebrauchen. Daher folgt dieser Hwy 16 einem etwa 200 km langen Oser (Esker, Untereisfluß). Eng damit verbunden sind auch die Rinnenseen, zu denen wir noch kommen werden.

Vanderhoof

Wie der Name schon sagt, eher niederländisch angehaucht, der Blick ins Telephonbuch bestätigt dies auch. Lunch in einer besseren Family-Restaurantkette (toller Erdbeer-Eiskuchen). Um 14:45 geht’s weiter. Es beginnt zu regnen und zu graupeln. Machen einen Stop, der Professor weiss aber gleich darauf nicht mehr, was hier zu sehen gewesen wäre, also weiter…

Lejac am Fraser Lake

Ein “modernes Indianerdorf”. Am See stehen hier die Überreste einer aufgelassenen Indianerschule. Nachdem man in den 60er Jahren vom Ignorieren der Urbevölkerung abgekommen ist, zwang man sie in Schulen. Dazu wurden die Kinder aus ihren Dörfern geholt und an Orten wie diesen versammelt, um sie einer völlig anderen Kultur zu unterwerfen. Selbst ihre Namen durften sie nicht behalten. Die Kinder konnten ihre Namen ja nicht schreiben, die Lehrer sie nicht aussprechen, also wurden die Kinder mit englischen Namen oder gar Nummern angesprochen. Die Schulbedingungen waren ärger wie bei uns im Gefängnis. Prostitution und Vergewaltigung waren an der Tagesordnung. Die Resultate waren verheerend, der Erfolg gleich null. Es gibt hier noch immer eine 20% ige Selbstmordrate, Probleme mit Alkohol und Drogen. Es herrscht eine hohe Kriminalität, und die Leute besitzen eine Kulturangst. Sie wurden gezwungen, “Europäer zu werden” und haben daher Identifikationsprobleme.

Bis vor 50 Jahren lebten die Indianer wie üblich in ihren Communities, von Fischfang, Jagen und Sammeln. Seit 20 bis 30 Jahren haben sie das meiste Land verloren (Nutzung durch Straßen, Forstwirtschaft etc.). Dadurch können die Indianer ihre Familien nicht mehr wie bisher erhalten und es verliert das Leben an Bedeutung. Sie kommen eventuell als Holzfäller unter, wo sie in ihrem eigenen Wald Holz schlagen…

Im Endako River gibt es im August etwa 50000 bis 100000 Lachse. Er friert im Winter nicht ganz zu, und ist somit für den Fischfang geeignet. Die Lachse sind für die Indianer von besonderer Bedeutung. Sie werden geräuchert, getrocknet und in der Erde vergraben (als Speicherung für den Winter).

Endako und Molybdän-Mine


Diese Edelerzmine ist die drittgrößte der Welt (für den Professor eine eher kleinere Mine, weil die beiden größten auch in Kanada sind) und ein wichtiger Arbeitsplatzbeschaffer für die Gegend, etwa 300 Jobs. Es wird im Tagbau gearbeitet, die Erze werden angereichert, per Bahn nach Prince Rupert gebracht und von dort weltweit verschifft. Molybdän wird als Stahlhärter verwendet. Einstellung beim Abbau: hier werden zwar einige Berggipfel zerstört, aber es gibt in Kanada ja fast unendlich unberührte.

Die Erze gehen hier auf Vulkane des mittleren Jura zurück.

Wieder am Highway 16 gibt es einen Aufschluß vulkanischer Asche mit großen eingeschlossenen Basaltbomben.

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