zurück - index - weiter
Dienstag, 18. Juni 1996
Frühe Stücke
Zu einer höchst unchristlichen Zeit holte man uns aus den Federn genau gesagt war es 6.30, es hatte +4°C und regnete. Eine lange Fahrt stand bevor. Es ging los ohne Frühstück, m.E. eine höchst unsinnige und Aktion, aber guat. Im Auto wurden recht nette Lieder gesungen (Yellowsubmarine usw.), was macht man nicht um munter zu werden. In Canmore kehrten wir in ein recht uriges Lokal ein, wo aber nichts weiterging. Wir verloren dort gute zwei Stunden, die wir genauso gut hätten schlafen können. Es gab folgenden Vortrag auf leeren Magen:
Aufbau des Ostrandes der Rocky Mountains
- Foothills: Sind vergleichbar mit unserem Alpenvorland, jedoch NS-erstreckt und etwa 40‑50 km breit. Die Landschaft ist mit Moränen übersät (Porkbacks, Schweinerücken) Darunter befinden sich geschichtete Tone, Schiefer und mesozoische Sandsteine. Es gibt hier viel Überschiebungen und Faltungen, die nur durch die Erdölprospektion erforscht sind.
- Front Ranges: tektonisch mit den nördlichen Kalkalpen vergleichbar, aufgebaut aus spätpaläozoischen Kalken, 40‑50 km breit, etwa 1600 m hoch. Im Norden extreme Faltungen vor etwa 80 mio Jahren entstanden. In den Tälern Ablagerung von Tonen und Sedimentgesteinen.
- Main Ranges: 40-50 km breit, untergelagerte Quarzite und Kalk. Bilden die Continental Divide.
- Die Mountain Front hätte auf der Fahrt nach Jasper rein theoretisch gut zu sehen sein sollen, aber das Wetter war extrem schlecht.
Originalbermerkung von Christian aus dem Protokoll: “Ich schätze, bei dem oben notierten Ausführungen habe ich mangels Frühstück entweder gestreikt, oder gar noch geschlafen.”
Hwy 1 West
Weiterfahren, grob nach Nordwesten, das Wetter ist bescheiden…
Moraine Lake
Entgegen seinem Namen ist es einer der ganz wenigen Seen, der nicht durch eine Moräne aufgestaut, sondern im oberen Talbereich durch einen großen Tomahügel (nicht geschobenes Bruchmaterial) abgedämmt ist. Es ist allerdings an keiner Talseite eine Abbruchnische erkennbar, so kann man vermuten, daß das Bergsturzmaterial in der letzten Phase der Vergletscherung am Gletscher befördert wurde. Der Hügel ist hoch und aus einheitlich großen Material aufgebaut.
Tomalandschaften sind im Falle eines Bergsturzes hügelig und eher unsystematisch angeordnet. Es kann jedoch zu einer gewissen „Materialsortierung“ kommen. Bogenförmige Tomalandschaften entstehen, wenn der Bergsturz auf einen Gletscher fällt, der dann das Material weiter befördert.
Das schlechte Wetter (Nebel und Sturm mit Graupelschauer) ermöglicht leider keinen Einblick ins hintere Tal.
Es war Ende Juni und wir waren nicht ganz so auf dieses Sauwetter eingestellt.
Fahrt nach Jasper
Hwy 93 Nord = Icefields Parkway
Diese 229 km lange Straße wurde nur für den Tourismusverkehr gebaut. Kommerzieller Verkehr ist verboten.
Wir sehen folgende Abschnitte oder Highlights:
Bow Pass 2068 m
Ein stark lawinengefährdeter Übergang, Schutzwälle entlang der Straße.
Peyto Lake
Dieser See war noch zur Hälfte zugefroren, der Schnee reichte bis zum Ufer. Liegt ca. 2000 m hoch, dennoch herrschten Mitte Juni noch ziemlich winterliche Verhältnisse.
Mistaya River
Der Bach entspringt im Peyto Lake, und mündet später in den ihm entgegenkommenden North Saskatchewan River, wo dieser dann nach Osten abzweigt. “Mistaya” heißt auf Indianisch “großer Bär” oder “Grizzly”. Nahe des Waterfowl Lakes schneidet sich der Fluß in den Kalkstein ein, und bildet den Mistaya Canyon. Dort sind schöne Strudeltöpfe in höheren Niveaus (somit aus früherer Zeit) erhalten.
Lunch im Nichts in Saskatchewan River Crossing, wo der North Saskatchewan River aus der NNW-SSE verlaufenden Talfurche nach Osten ausbricht. In ziemlich miesem Fast-Food-Resti gibt es erstaunlich gutes Chili (im Plastikbecher). Der Salat schmeckt allerdings wie der Becher.
North Saskatchewan River
Der Fluss bricht aus der NNW-SSE verlaufenden Talfurche nach Osten aus und stellt ein breites, schwemmaterialerfülltes Flußbett (braided river) dar, mit türkis-grünem Wasser. Die Lawinenspuren reichen wieder bis zum Fluß und darüber hinweg. Der Fluß wird von dem großen Saskatchewan Glacier gespeist, der einen Outlet-Glacier des Columbia-Icefields darstellt.
Sunwapta Pass 2055 m
Grenze zum Jasper National Park. Der Paß liegt ziemlich genau an der Waldgrenze. Das Gebiet zählt über 300 Gletscher, darunter:
Athabasca Glacier
Bbis 320 m mächtiges Eis, das hier in einer Talwanne ausläuft (sich sozusagen vor einem Talriegel aufstaut). Bis vor wenigen Jahren wurde dieser Riegel noch vom Gletscher überflossen. Der Gletscher stellt einen Outlet Gletscher des Columbia Icefields dar. Er ist ca. 6 km lang und 1 km breit. Die Gletscherzunge bewegt sich etwa 15 m pro Jahr vorwärts. Trotzdem schmilzt aber im Sommer mehr als dieser Betrag ab.Wir sehen nicht viel vom prächtigen Gletscher, denn das Wetter ist noch immer sehr schlecht. Beim Spaziergang auf den Gletscher hinaus können wir am Weg durchs Vorfeld die Beschilderung der jährlichen Moränen sehen. Das Eis strömt von dem etwa 325 km² großen Columbia Icefield, das als Plateaugletscher die Berge bedeckt, in mehreren Outlet Glaciern herab. Der Athabasca Glacier und der Dome Glacier sind zwei davon. Am Athabasca Glacier sind gewaltige Seitenmoränen von der Little Ice Age im 19. Jahrhundert erhalten (am orographisch rechten Ufer bis 130 m hoch und 1,5 km lang!). Beim Dome Glacier haben die steilen Seitenwände zur Folge, daß er mit etwa 1 m mächtigem Schutt bedeckt ist (Obermoräne). Dieser Panzer schützt das Eis vor der Sonneneinstrahlung und somit reicht er weiter ins Tal hinunter als der ungeschützte, weil relativ saubere Athabasca Glacier. Interessant ist vielleicht auch noch die Tatsache, daß sich das Eis des Columbia Icefields beim Abschmelzprozeß auf 3 Weltmeere aufteilt: in die Hudson Bay (Nordatlantik), das Nordpolarmeer und den Pazifik.
Sunwapta River
Weiter geht es zur Sunwapta Schlucht, wo sich der Sunwapta River durch einen großen Bergsturz schneidet. Wir sehen Schneeziegen und Wapiti.
Durch das Athabasca Valley geht die Fahrt weiter bis Jasper. Aufgrund des schlechten Wetters bekommen wir leider nicht soviel von der wahnsinnig tollen Landschaft mit (Flüsse schlängeln sich durch den unberührten Wald mit schönen Seen dazwischen, die Gipfel sowieso immer in Wolken…).
Abend in Jasper
Hier kommen wir in ein ganz nettes Motel (Zimmer mit Balkon), aber sonst nicht ganz der gewohnte Komfort. Später fahren wir alle (ausser den Chefs) mit Markus als Chauffeur in einem einzigen Van (19 Leute) zum Essen in den Ort. Wir besetzen ein ziemlich nobles (dafür auch relativ teures) Restaurant, wo sich Christian eine Pizza mit zwei anderen teile. Überhaupt dürfte das gemeinsam an einer Speise essen in Amerika nicht so ein Problem sein, wie in Österreich manchmal. Am Abend gibt es noch eine nette Unterhaltung, die aber nicht allzu lange dauert. Irgendwie fehlt Christian von diesem Abend besonders viel an Erinnerungen, vielleicht doch mal müde?
Mittwoch, 19. Juni 1996
Erst um 08:00 läutet diesmal der Wecker, dann wurde im eigenen Motel gefrühstückt (sehr angenehm). War auch ganz gut. Um 09:00 geht’s dann los. Das Wetter ist leider nach wie vor miserabel (photographisch undurchsichtig.
Fahrt über den Yellowhead Pass
Hwy 16
Über den Yellowhead Pass (1100m), dem niedrigsten Paß an der Continental Divide über den auch die Eisenbahnlinie von Edmonton nach Prince Rupert bzw. Vancouver am Pacific geht, führt unsere Fahrt vorbei am Yellowhead Lake und entlang des Fraser River. Dieser Übergang ist von größter Bedeutung, weil er auch im Winter benutzbar ist. Der Name Yellowhead (der Highway heißt auch so) kommt von den ersten Biberfelljägern hier im Westen Kanadas, die ethnisch von Nordeuropäern und Indianern abstammten. Genauer war dies ein Halbblut zwischen Irokesen und Bleichgesichtern, mit typischem Indianergesicht aber blondem Haar.
Ab dem Paß geht es (wieder in der Pacific Standard Time, -1 Std.) neben dem zunehmend größer werdenden Fraser River entlang, vorbei am moränenabgedämmten Moose Lake. Auf der ganzen Fahrt sehen wir viele Wildtiere (Schwarzbären, Wapiti, etc.). Unterhalb des Sees beginnt wieder Mischwaldgebiet.
Mt. Robson Park
Auch dieses Wahrzeichen British Columbias konnten wir wegen dem schlechten Wetter nur auf Tafeln und Video sehen. Der imposante Berg mit seiner auffälligen Schichtung ist mit seinen 3954 m der höchste Berg der kanadischen Rockies. Er liegt im Mt. Robson Provincial Park in British Columbia, der natürlichen Fortsetzung des Jasper National Park in Alberta.
Bei der Gelegenheit Klärung der großen Wildtiere:
- Moose (deutsch: Elch): großes Tier (225 cm Schulterhöhe nicht selten), auch gerne aggressiv. Geweih des Männchens als zwei große flächige Hörner ausgebildet.
- Cariboo = Reindeer (deutsch: Rentier): im Gegensatz zum Elch kleiner, Geweih in einzelne Schaufeln aufgeteilt. Im Sommer nur weiter im Norden anzutreffen.
- Wapiti = Elk (deutsch: Wapiti): auffallend weißer Spiegel, röhrenförmiges Geweih. Kein Schwanz.
- Deer (deutsch: Reh): ebenfalls weißer Spiegel, aber kleiner als Wapiti und mit Schwanz!
Ein Witz von Baumi fällt bei einer Rauchpause im Nirgendwo: Ein Postler kommt zum Pfarrer und will ihn ein Paket aushändigen. Er klopft, nichts. Wartet, klopft wieder, nichts. Vorm Gehen schaut er noch mal beim Fenster hinein und zieht ab. Am nächsten Morgen kommt er wieder mit seinem Paket und der Pfarrer öffnet die Türe. Der Postler erklärt ihm, dass er am Vortag schon da war und dass niemand aufmachte. Der Pfarrer entgegnete: “Es tut mit leid, ich habe ein Nickerchen gemacht.”. Darauf der Postler: “Klar, ich hab’s durchs Nensterl gesehen!”
Wir verlassen den Park in Richtung Westen und in Tête Jaune Cache gelangen wir wieder aus den Rockies heraus. Hier zweigt auch der Fraser River in die mittlerweile schon NW-SE-verlaufende Rocky Mountain Trench ein und folgt bis Prince George diesem tektonischen Graben, von wo der Fluß dann nach Süden durchbricht. Vor etwa 12000 Jahren floß der obere Fraser River noch nach Norden in den Arktischen Ozean. Später wurde dieser Flußteil vom heutigen Fraser River nach Süden hin “angezapft”. Auch wir folgen dieser Route auf der uns ca. 200 km lang links die Cariboo Kette der Columbia Mountains und rechts die Rocky Mountains begleiten. Die breite Ebene weist keinen Unterschied zum weiter im Süden gekreuzten Abschnitt (bei Golden) auf. Hier auf den ausgeprägte Flußterrassen des Fraser Rivers und gibt es sogar noch Landwirtschaft.
Schon in McBride (Mittagessen), also noch immer zwischen den beiden Bergketten, ist das Wetter besser. Besonders auf der Seite der Cariboo Kette fallen große kranke oder schon gerodete Waldbestände auf. Hier soll einmal nicht die Forstwirtschaftslobby, sondern ein schädlicher Falter unter den Hemmlocktannen gewütet haben. Die Forstindustrie verwertet auch diese kranken Bäume. Nach der Rodung wird übrigens der verbleibende Rest abgebrannt. Hier beginnt wieder das Vorkommen der Red Cedar (Riesentuje). Davon gibt es dann richtige Waldgiganten: extrem dicke Stämme aus fasrigen Holz. Das Verhältnis von Breite zu Höhe der Stämme ist sehr ungewohnt, die Bäume wirken sehr „dick“. Diese Bäume sind etwa 200 bis 300 Jahre alt, und stammen damit aus einer anderen Klimaperiode (Kleine Eiszeit). Das bedeutet aber, daß sie heute nicht mehr passende Bedingungen vorfinden. Heute wird eher White Spruce und Human Spruce gepflanzt.
Im blauen Bus geht’s echt lustig zu im Bus: Lieder werden gesungen, Spässe getrieben. Stopp beim Purden Lake, die Hühneraugen machen keine Andeutungen zum Aussteigen. Ja, weil sie alle schlafen. Wir konnten sie auch nicht über Funk mit unserer guten Stimmung anstecken. Es beginnt dann wieder zu regnen. Die Strasse ist oft bis zum Horizont gerade. Wir sehen einen Biberdamm und dabei den Haufen. (So schön wie leider später nie mehr). Dann kommen wir auch bei einem jungen (aber trotzdem riesigen) Elch vorbei. Leider rennt er gerade in den Wald. Es ist 15:10, die Kurven haben sich aufgehört, und es schüttet in Strömen. Da kommt eine typische Meldung: “Da Baumi übern Highway prescht, dass der Regen nur so an die Scheiben kläscht!”
zurück - index - weiter
No Comments