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Smithers
In der Ortschaft Burns Lake setzen wir den Professor ab und er fährt mit dem Bus zurück. Ein langer Physiogeographischer Tag geht zu Ende als wir im Wintersportort Smithers ankommen und irgendwie sind wir geschlaucht. Das Aspen Motor Inn ist ein passables Motel, mit Plantschbecken und lauwarmen Whirlpool, aber immerhin.
Vorerst wird einmal ans Überleben gedacht und etwas zum Einkaufen gesucht, andere Westösterreicher können dem Urbedürfnis ihre Wäsche zu waschen nicht widerstehen und machen sich plastiksackerlbepackt auf den Weg. Gerald muss unbedingt nach den fussballspielenden Damen Ausschau halten, die er (wer denn sonst) irgendwo im Ort gesehen hat, als alle anderen eigentlich das Motel suchten.
Es gibt einen Minimakt der aber alles hat was man braucht, auch Briefmarken zur Abwechslung. In einer etwas wirren Stimmung kauft jedes Zimmer etwas zum Essen ein, was dann später als Abendessen oder Frühstück herzuhalten hat. Einige dinieren auch auswärts, besonders problematisch ist, dass die Profs samt Autoschlüssel weg sind und Brot aber auch wichtige Getränke noch in den Vans verstaut geblieben sind. Das regelt sich, wir kosten uns einmal durch neue Käseaufstriche und schauen dem Abend gähnend entgegen. Einige gehen spazieren.
Langsam rückt aber doch alles ins rechte Lot, sprich als die Sonne definitiv untergegangen war wurden einige munter. Leider auch die Gelsen. Es war recht schwül und die Zimmertüre hatte geschlossen zu bleiben, bei der unorganisierten Abendgestaltung und den Wandel zwischen den Zimmern eigentlich ein Problem. Selbst der nun schon erprobte Telephondienst mit Zentraltelephonisten Christian und André sowie den Zweigstellentelephonistinen Doris und Eva war nichts sehr aufschlussreich. Dass wirklich nicht alles fit war bezeugt eine traurige Tatsache: der Weisswein war schlecht geworden und wir überrissen es nicht sofort, wahrscheinlich wollten wir es nicht wahr haben, es war die letzte Flasche.
Doch irgendwie landete der Grossteil, etwa 10 Leute, im Zimmer 117, jenes wo neben Lemmi, Christian, André und Markus L. auch die letzten Bierdosen und Weinflaschen anzutreffen waren. Markus war leider krank, doch er meinte wir bräuchten das Zimmer nicht zu wechseln. “Frågt’s mi nimmer wer aller da war, alles was ich bestätigen kann, ist dass es rund um den kleinen runden Tisch immer recht eng war.” Neben den üblichen geographischen Blödelein wurden zur Abwechslung auch einmal relativ normale Kartenspiele aufgetischt, Christian hat sicher noch die Ergebnisliste als Beweis falls es jemand nicht glauben sollte, was ja verständlich wäre.
Da sind sie, verschlüsselt: “Also beim ersten Herzl-Spiel ging A als Sieger davon, SA, D und ich schauten nicht so gut aus. Beim zweiten waren schon mehr Leute dabei: S gewann das Spiel, es folgten: K, Ma, Aa, T, Mo, As, D, und ich wieder als letzter! Beim letzten Spielchen waren dann M, An, E, J, S, Mi, D, H, A, T dabei, wobei sich da jeder selbst erkennen muss! G, J, T, D, Mo, Ma und ich machten dann den Abschluss mit einer Partie Hosen’owi!”
So wurde aus dem Abend doch noch ein netter und längerer, gar nicht so selbstverständlich nach diesem Tag. Irgendwann, nicht einmal so spät, machten wir uns auf Gelsenjagd und versuchten bei ausgeschaltetem Licht etwas frische Luft in das überhitzte und sauerstoffarme Kämmerlein zu bringen um irgendwie Schlafen zu können. Laut Christians Aufzeichnungen war es wieder einmal 1.30 a.m. geworden…
Freitag, 21. Juni 1996
Es geht endlich wieder mal ans Meer. Um 07:15 raus aus den Federn, zu 8 im Zimmer frühstücken. Dann ging es schon los. Zunächst bis Hazelton.
GIS-Labor der Gitxsan-Indianer in Hazelton
Es ist ja bekannt, daß die Regierung British Columbias, weit schlimmer noch als jene Kanadas, ihre Ureinwohner-Bevölkerung lange ignoriert hat und heute noch oft als nicht beachtenswert betrachtet, besonders wenn sich die Interessen der Indianer und jene der Forstwirtschaftslobby überschneiden. Und das tun sie naturgemäß permanent.
Die Indianer Nordamerikas haben ein ganz anderes Landnutzung- und Besitzverständnis wie wir, abgesehen davon, daß man ihnen lange gar keine Territorien oder Böden außerhalb der weit im Norden oder sonst wo unwirtlich plazierten Reservate zugesprochen hat. In Summe sind diese Reserven auch viel zu klein und noch dazu zentral von Ottawa aus verwaltet. So ist schon viel Zeit verloren gegangen, Zeit in der buchstäblich der Boden unter den Füßen der Indianer gerodet und vernichtet wurde. Und Indianerland ohne Wald ist für diese Bevölkerungsgruppe nutz- und wertlos, was gleichzeitig Raubmord an ihrer Kultur bedeutet.
Ihre Landnutzung unterscheidet sich ganz wesentlich von der modernen kanadischen Forst- und Landwirtschaft: ein Gebiet, z.B. ein Seitental oder Flußeinzugsgebiet, ist immer nach natürlichen Einheiten (z.B. Flußlauf, Bergrücken etc.), also nie im Quadratmuster abgegrenzt, und so festgelegt, daß es eine sog. Housegroup langfristig ernähren und vollständig erhalten kann. Diese Housegroups sind mit Großfamilien vergleichbar, etwa 200-300 Leute, haben eine lockere innere Hierarchie, aber der Besitz ist in unserem modernen Sinne nicht geregelt. Die Größe des Areals ist abhängig vom Umfang der Housegroup und von der Vergangenheit übernommen. Innerhalb gibt es wohl unterschiedliche Nutzungen (von den natürlichen Gegebenheiten abhängig), die aber immer so getätigt werden, daß sich die Natur regenerieren kann und eine weitere Ernte oder Jagd im nächsten natürlichen Zeitabschnitt ohne Abstriche durchführbar ist.
Dieses System wird von der kanadischen Regierung, wo auch die Vermesser ein goldenes Leben führen, logischerweise nicht anerkannt. Somit leben die Indianer in einer anderen Welt mit anderen Gesetzen. Das geht aber nur, so lange keiner auf die Idee kommt das Land, welches meistens im Staatsbesitz ist und von den Provinzen verwaltet wird, im herkömmlichen modernen Sinne zu nutzen, sprich “niederzupflügen”.
Die großen mächtigen Forstgesellschaften (4 multinationale Konzerne kontrollieren 96 % der Holzindustrie von BC), auch politisch weit einflußreicher als die Regierung British Columbias und das Forest Ministery beherrschend, erhalten diese Nutzungsrechte in Prozent eines Gebiets. Dort werden dann die besten und einfach zugänglichen Bereiche ausgewählt und gerodet. Nicht in Form einiger Schneisen wie bei uns, sondern hektarweise. Auch wenn diese Eingriffe nicht immer quer durch das Dorf oder das Territory einer Housegroup gehen, das Landnutzungssystem der Indianer benötigt auch große Flächen Hinterland, z.B. in Form von unberührtem Wald für das Wild. Ein weiteres Problem ist, daß die Forstindustrie kaum lokale Arbeiter anstellt und in ihren Planungen gar nicht auf die Forderungen der Indianer eingeht. Das Prinzip lautet: ignorieren.
Die Indianer dieser Region schauen nun nicht mehr tatenlos zu und versuchen mit einem komplexen GIS-Projekt mehrere Ziele zu erreichen: den Bestand festhalten, ein altes Kultursystem zu verstehen und so vielleicht zu sichern, und mit effektiven Nutzungskarten um die eigenen Rechte zu kämpfen.
Im Gebiet sind nie Verträge abgeschlossen worden und derzeit gibt es keine Verhandlungen zwischen der Regierung und den Indianern, die selbst unterschiedlichsten Stämmen angehören. Die Zuordnungsprobleme zwischen den Gesellschaften beschränken sich nicht nur aufs territoriale, so wird das Matriarchat, die unter den Indianern übliche Gesellschaftsform nicht anerkannt, was sich auch bei Besitzwechsel rechtliche Probleme bereitet, sofern es Besitz gibt.
Es wird versucht, die Indianer zusammenzuschließen, Meetings werden organisiert, die Urbevölkerung wird aufgeklärt (territorial mangement training). Die Housegroups werden geschult was das Projekt betrifft, denn ohne sie ist das Ganze hinfällig. Konkret werden die geomorphologischen Systeme als Ganzes betrachtet und die einzelnen Ebenen mit progressiver Verfeinerung analysiert. Es geht z.B. darum folgendes zu erfassen:
- genutzte Ressourcen mit ihrer Nutzungsart,
- Standorte der Bevölkerung,
- nfrastruktur (wichtig z.B: Wege, Fischplätze, Lagerplätze für längere Wege im Gebiet, Bärenpfade etc.),
- den Wald differenziert nach Funktion (z.B. Lawinenschutz),
- sensitive areas,
- Pflanzenareale (z.B: Vorkommen bestimmter Beerenarten, wichtige Baumarten etc.),
- Jagdreviere mit Zugang,
- Jagdgründe der Tiere (durch Tierbeobachtung),
- Trails und Fischgründe,
- etc
Die Daten hierfür kommen meist von den indianischen Housegroups selbst, da diese ja am besten die Bedingungen in ihrem Gebiet kennen. Für die Finanzierung stehen keine öffentlichen Mittel zur Verfügung. Man muß sich mit privaten Aufträgen über dem Wasser halten (der Fremdenverkehr spielt hier eine große Rolle!). Mit der vorhandenen Ausrüstung geht das auch sicher. Die so erstellten GIS und Karten sind im großen Maßstab und mittlerweile auch wissenschaftlich nutzbar. Die Betreiber wünschen, daß die natürlichen Grenzen respektiert werden, um die Ressourcen vom eigenen Territorium nutzen zu können. Man will keine größeren Reservate oder mehr Geld, sondern ein Einfrieren der indianischen Kultur vermeiden und sie mit der neuen kombinieren. Sie fordern vor allem eine Anerkennung als eigene Kultur, und die Erhaltung der ökologischen Systeme in ihren Gebieten. Einstweilen zeigt sich die Regierung British Columbias nicht kooperationswillig.
Museum der Ksan-Indianer in Hazelton
Alte Totempfähle, große alte Indianerhütten (Langhäuser der Großfamilien). Schöne Holzschnitzereien. Mit dem hier eingenommenen Geld können die Indianer an ihrem Projekt weiterarbeiten.
Nickerchen im Gras… “Friedenspfeife” rauchen, nett beisammensitzen. Blick in den braunen Babine-River von der Brücke nach Hazelton. Gerry und Christian wagen wilden Abstieg unter die Brücke. Aber wir werden dort mit tollen Blicken hinauf wie hinunter belohnt. Aufstieg zurück zu den Vans war ziemlich beschwerlich.
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