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Montag, 8. Juli 1996
Von alleine wären wir wohl nie aufgestanden, aber der Wecker hilft uns. Es ist wieder ausgesprochen frisch. Weil der Zeltplatz mit Bankerl hoffnungslos im Schatten ist, und wir wie Reptilien die ersten Sonnenstrahlen zum Auftauen brauchen, frühstücken wir diesmal “am” Auto(dach). Da dies nicht das letzte Mal sein wird, werden wir langsam aber sicher Spuren (mit Brettl, Messer, etc.) am Dach hinterlassen. Die Eile vom Vortag ist nicht mehr mit uns. Recht gemütlich wird gegessen und gepackt. Dabei kommen wir ins Gespräch mit einem Zeltnachbarn, der für ein paar Tage aus Michigan hier her kam. Nach dem üblichen Wer-von-wo-und-wohin erzählt er uns, dass er als General-Motors-Vertreter erst im Juni bei einer Tagung in Wien war. Und noch eine wertvolle Information erhalten wir, als wir ihm unsere geplante Route auf die Nase binden: Er schildert uns einen besseren Zugang zum Grand Canyon. Den Tipp notieren wir und es wird sich auszahlen!
Der Tag soll den North Loop, die verabsäumten Schmankerl des South Loop und den im Süden gelegenen Grand Teton National Park fassen. Wohl wieder einmal hoffnungslos übermütig, aber wir tun wieder einmal so, als würden wir es schaffen.
WY NP-Roads Yellowstone NP North Loop
Petrified Tree
Die erste Sehenswürdigkeit ist der Petrified Tree. Dieser Baum war ein Redwood, typisch für die Regenwälder des Pazifiks. Er stammt also wahrscheinlich aus einer Zeit, wo es noch keine vorgelagerten Küstengebirge gab. Der etwa vier Meter lange, zu Kalk versteinerte Baumstamm ist unüblich entstanden: Er war nie begraben und er steht auch noch schön brav senkrecht. Als der Baum noch lebte, wurde das Erdreich, in dem er wurzelte, durch Geysire mit kalkgesättigtem Wasser überschwemmt. Sein Stamm nahm auch noch dieses Wasser samt Kalk in seine Zellen auf. Nach seinem Tod trieben die Kapillarkräfte das Wasser noch weiter in den Stamm hinauf. Der Kalk ersetzte nach und nach die Zellstruktur. Und so steht er noch heute, ganz zu Stein verwandelt.
Mammoth Hot Springs
Ein weiteres großartiges Naturwunder im Yellowstone National Park sind die Mammoth Hot Springs mit ihren Tarvertin-Terrassen. Wenn man sich ihnen von Osten nähert, weiß man zunächst nicht worum es sich handelt. Von der Weite schauen die weißgrauen Terrassen eher aus wie ein wildes Bergbaugebiet mitten im Nationalpark. Hier sprudeln allerdings keine Geysire. Das Wasser tritt etwas langsamer aus, dafür aber am Hang und besonders heiß. Es kommt aus großer Tiefe, wo unter den Basalten Kalk lagert. Das Wasser soll bis zu 500 Jahre alt sein, das hier sprudelt. An der Oberfläche bilden sich schnell wachsende strahlend weiße Kalksinterterassen und Becken (bis zu 60cm Höhengewinn pro Jahr). Doch dieses Tarvertin ist nicht sehr beständig. Kommt kein Wasser nach, oder wird der Abfluss verlegt, so wird das Aufgebaute ungefähr genau so schnell erodiert, wie es geschaffen wurde. Dabei weicht auch sofort das strahlende Weiß und wird zum fahlen Grau. Die Becken sind nicht so tief, wie z. B. in Pamukkale in der Türkei. Es handelt sich mehr um Terrassen, die mit höchstens 10 bis 20 cm Wasser bedeckt sind. Diese Terrassen sind zwischen handgroß bis einige Quadratmeter groß.
Am strahlendsten, weil immer noch stark im Aufbau befindlich, ist die Opal Terrace. Hier kommen die Amerikaner in einen besonderen Konflikt: Gleich darunter steht ein “historisches” Gebäude (schon fast 100 Jahre alt!), das mit Sandsäcken vor der Überflutung bewahrt werden soll. Im Nu werden aber die Sandsäcke in den Kalk eingebaut. Ein Tennisplatz wurde hingegen geräumt, um der Natur ein ungehindertes Ausweiten zu ermöglichen, doch das Knabbern der Natur an diesem bisschen Kultur kommt überhaupt nicht in Frage!
In dem Areal steht auch das Liberty Cap. Es handelt sich um einen eingeschlafenen Geysir, der besonders lange, kontinuierlich und gemäßigt durch das selbe Loch speite. So entstand die heute 11 Meter hohe konische Kalkformation.
Dahinter setzt das große Terassensystem an. Hier verliert man sich fast. Die Stege und Wege unterliegen auch dem Wandel der Terrassen, zeitweise werden sie vom Kalk überwuchert, dann wieder verfallen weite Teile in einen langen Dornröschenschalf. Auch hier schlagen Bakterien und Algen, abhängig von der Wassertemperatur, zu. Im Süden befinden sich steilere Hänge, also höhere Stufen. Auch sind dort weniger Stege und weniger Leute. Dort kann man das in Entstehung befindliche Travertin auch anfassen, wenn gerade kein Ranger unterwegs ist. Es handelt sich tatsächlich um eine breiige Masse, die anscheinend lange braucht, bis sie sich verfestigt.
Trocknet ein Bereich aus, so wir das Ganze sehr schnell bröselig. Terrassenkanten brechen ab und durch das Grau verliert es seinen Reiz. Pflanzen scheinen das zurückgelassene Terrain nicht sehr schnell zu besiedeln. Am Rand der Terrasse sehen wir das Schicksal von einigen Bäumen, die wohl gerade dabei sind, versteinert zu werden. Das Wasser rinnt einfach in den Wald, und beginnt langsam die weiße Spur aufzubauen.
Obsidian Cliffs
Nach diesem ausgiebigen Aufenthalt geht es nun weiter. Dass wir uns in einem vulkanischen Gebiet befinden, bezeugt auch der nächste Stopp am Obsidian Cliff, wo tiefschwarzes vulkanisches Glas als anstehendes Gestein den Weg säumt. Obwohl es “unlawful” ist, scheint hier jeder ein Stückchen mitzunehmen, so auch wir. Da hier jeder herumklopft, hat sicher auch den Vorteil, dass das Gestein nicht von der Pflanzendecke überwuchert werden kann.
Nun kommen wir auf die bereits bekannte Strecke am Gibson River. Da wird Gas gegeben. Einen Halt legen noch im Lower Geyser Basin beim Fountain Paint Pot ein, denn das Abendlicht vom Vortag war fürs Photographieren zu schwach. Doch der Platz ist nicht wieder zu erkennen. Es wimmelt von Leuten, der Parkplatz ist ziemlich voll und die Farben sind auch nicht viel besser zu sehen. Da schauen wir, dass wir weiterkommen. Ausser am Firehole-Canyon, von dem wir auch nicht begeistert sind, fahren wir jetzt überall vorbei, auch am Yellowstone Lake und weiter nach Süden.
WY 191 S: Lizard Creek CG
Grand Teton National Park
Der Yellowstone Park ist auch im Süden noch ganz schön groß und es dauert bis wir den South Entrance erreichen. Es geht abwechselnd durch Waldbrandgebiet und schönen Wald, vorbei am Lewis Lake und Lewis Canyon. Nachdem wir den Park verlassen haben, gelangen wir nur ein paar Meilen südlich in den nächsten: den Grand Teton NP. Hier ist es im Vergleich zum Yellowstone Park überdurchschnittlich ruhig. Der Parkplatz beim Flagg Ranch Visitor Center ist quasi leer. Es ist alles viel gemütlicher. So bekommt man zum Beispiel den Nationalparkplan (auch vom Yellowstone) hier gratis, beim Yellowstone National Park haben wir für einen zweiten extra zahlen müssen. Doch muss man auch hier acht geben, da die Campingplätze gerne als Overflow für jene des Yellowstone National Park genützt werden.
Da wir beide wieder extrem müde sind, peilen wir den ersten Campground an. Außerdem liegt dieser abseits vom Trubel des Colter Bay Visitor Center. Der Platz am Lizard Creek ist tatsächlich schon recht voll, dafür aber weitläufig und ruhig. Wir suchen uns ein Platzerl zwischen hohen Nadelbäumen, die leider besonders im Osten sehr dicht sind. Wir haben uns schon sehr an das Autofahren gewöhnt: Als es darum geht, zur Campground Verwaltung zu pilgern, um zu bezahlen, steigt André ins Auto, um dort hinzufahren. Als er aber den Schlüssel ins Zündschloss steckt, wird ihm plötzlich doch noch bewusst, dass er gerade für eine 500 m lange, ebene Strecke und völlig ohne Zeitdruck das Auto benutzen wollte!
Nach dem Essen (ca. 14 Uhr) wäre eigentlich genug Zeit für Besichtigungen oder Einkauf gewesen. André kann aber den (ohnehin auch müden) Christian davon überzeugen, dass einfach faul sein und einmal nur herumkugeln, baden usw. auch eine Alternative sein kann. Also rühren wir uns nicht vom Fleck. Das heißt, wir klettern eine 20 m hohe Böschung zum Ufer des großen Jackson Lakes hinunter und genießen die Zeit mit Schlafen, Dösen und Baden. Das Wasser ist gar nicht so kalt (obwohl der See auch extrem groß ist und wir hoch oben sind). Der Blick ins Moose Valley (extrem typisches U-Tal) ist auch schön und würden Christian sehr zu einer Wanderung verlocken, aber dafür sind unsere Pläne doch nicht ausgelegt. Ausserdem braucht man hier für alle Wanderungen Permits.
Der Blick vom Ufer zum Webb Canyon, einige gewitterartige Wolkenformationen aus denen nichts wird und der Sonnenuntergang stimmen André nachdenklich und melancholisch. Nach einem guten Supperl mit Karotten und einigen “Broten”, geht Christian bald schlafen. André verbringt den Abend nach Einbruch der Dunkelheit im Auto mit Briefschreiben und Radiohören (Sender mit Nicht-nur-Country-Musik). Jaja, eine Oberösterreicherin hat’s ihm wohl angetan.
Es ist ungefähr Halbzeit des siebenwöchigen Amerika-Aufenthaltes. Obwohl dieser Campground noch höher liegt, als der im Yellowstone (2700 m), kühlt es in der Nacht lange nicht so stark ab und die Luft ist trockener. Naja, wir sind immerhin 1° weiter südlich und vor allem an einem warmen See.
Dienstag, 9 Juli 1996
Wieder ist es 6 Uhr morgens. Diesmal werden wir von Donner geweckt. Es beginnt leicht zu tröpfeln. Mehr wird es aber nicht. Erst viel später, als alles wieder staubtrocken ist, stehen wir dann tatsächlich auf. Nach dem üblichen Frühstück und Einpackzeremonie fährt Christian los. Das Programm für den Tag ist nicht fix. Klar ist, dass uns der Grand Teton National Park zu Füßen liegt und wir sowieso durch müssen. Der nächste tatsächliche Fixpunkt ist noch weniger klar. Wir wollen uns nur in den nächsten Tagen einmal mit Gudrun in Colorado treffen, wann und wo ist noch nicht abgesprochen. Dazwischen liegen gut 500 Kilometer nicht näher verplante Luftline. Wir lassen uns aber überraschen, geleitet durch wage Hinweise von National Recreation Areas und landschaftlich schönen Strecken in Christians USA-Atlas.
WY 191 S: Jackson
Hier im Grand Teton National Park kommt wieder “ganz normale” schöne Natur vor, ohne Geysire usw. Auch ist hier interessanterweise nichts angebrannt. Der Nationalpark entstand ohne großes Tamtam mit der Hilfe einiger potenter Gönner und etwas gutem politischen Willen. Geologisches Merkmal ist die Große Stufe: Die Tetons sind eine nord-süd gestreckte Bergkette die sich bis 13770 ft steil über der Ebene (2063 m) erheben. Die Seite, die man beim Durchfahren sieht, ist die sich hebende Stufenfront. Selbst steht man auf dem sich senkenden Erdkrustenteil. Dieser Prozess geht heute noch weiter. Vom Teton Glacier Turnout sieht man gut eine kleine Stufe im überwachsenen Schuttkegel.
Auf der Straße nach Süden gibt es viele Haltemöglichkeiten (Turnouts). Wir peilen nur einige an: Leeks Maria am großen Jackson Lake, eine leicht versumpfte Gegend mit allgegenwärtigem Ausblick auf die Teton Range. Hier hupfen ein paar witzige Vögel am Parkplatz herum. An die Preise im Yellowstone denkend vermeiden wir es, im Colter Bay Village zu halten und sparen uns die Flüssigkeitszufruhr für uns und fürs Auto für Jackson City auf.
Einen Überblick verschaffen wir uns vom Signal Mountain (2314 m) aus. Natürlich kann man da mit dem Auto hinauffahren. Interessant ist auch der Blick nach Osten auf das Hügelland durch das der Snake River fließt. Das Wetter bessert sich zwar ein wenig, die Wolkendecke bleibt aber doch gegenwärtig.
Am Jenny Lake herrscht wieder fast “natürlicher Kitsch”: Schneebedeckte spitze Berge, mit kleinen Geltschern versehen, viel grün ein kleiner kühler See mit ein paar Enten drin. Wir sitzen ein wenig am See und genießen den alpinen Ausblick. Zunächst wollen wir den Teton National Park ganz gemütlich verlassen. Doch an der Gros Ventre Junction packt uns die Abenteuerlust und wir nehmen eine Prallelstraße zum Highway, die zum Teil unbefestigt ist. Das erste Abenteuer dieser Art (Anmerkung: Unser Auto-Mietvertrag untersagt das Befahren unbefestigter Straßen). Wir umfahren also die East Gros Ventre Butte im Westen und erreichen Jackson vom Südwesen her. Für amerikanische Verhältnisse ist die Straße wirklich winzig (man muss manchmal richtig ausweichen!). Immerhin sehen wir eine Elchkuh samt Junges, die aber wegen Gegenverkehr sehr schnell im Wald verschwinden.
Jackson
Von der Seite, von der wir Jackson erreichen, hat die Stadt überhaupt keinen Reiz. Aber wir finden was wir brauchen: Einen Supermarkt (der nicht mehr so riesig ist, wie die, die wir bis jetzt kennen gelernt hatten), und Tankstellen (mit unterschiedlichen Preisen, je nachdem, ob man mit Kreditkarte oder Cash zahlt). Uns fehlen jedoch noch zwei wichtige Sachen: Briefmarken und Filme, vorzugsweise Kodak Elite II. Also fahren wir doch noch schnell ins Zentrum, auch wenn wir eigentlich in die andere Richtung sollten. Schließlich verheißt der Blick auf die Landkarte weiter im Süden nichts gutes, was einkaufen betrifft.
Zuerst fahren wir durch, ohne was zu registrieren, bloß auf der Suche nach einem “Kodak”-Schild. Dann stellen wir das Auto doch ab, und schauen uns um. Wir sind in der reinsten Westernstadt gelandet! Man kommt sich vor, wie in einem Karl May Film. Alle Häuser um den Hauptplatz sind mindestens holzverkleidet. Alle Menschen, die nicht eindeutig wie Touristen aussehen (also so wie wir), scheinen für den nächsten Dreh verkleidet zu sein, doch es wirkt alles ziemlich natürlich. Jaja, wir sind in Wyoming, dem typischen Western-Staat. Auf dem Autokennzeichen befindet sich auch ein Pferd. Bei dem Park am Hauptplatz befinden sich an den vier Ecken große Eingangstore, die aus einer Unmenge von Deer-Geweihen zusammengestellt sind.
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