Auslandsjahr: Anbieter finden

Thema: Auslandsjahr für Jugendliche.


Selber Familie und Schulde finden

Man sollte glauben, dies könnte eine einfache Übung darstellen. Schliesslich herrscht in den bekannten Ländern Schulpfpicht und der Schulbesuch ist auch überall im Prinzip kostenlos. Tatsächlich wird in jedem gängigen Zielland ein schulpflichtiges Kind zur Schule zugelassen, das ist wesentlich liberaler als für Erwachsene mit Aufenthaltstiteln, Arbeitserlaubnis, Steuer, Versicherung, etc.

Bleibt das finden einer Betreuerfamilie vor Ort. Auch mit guten Beziehungen im Zielland ist das nicht einfach, auch gute Bekannte können nicht einfach einen Pubertierenden locker ein Jahr bei sich aufnehmen. Wenn man dann selber kein ausländisches Kind bei sich aufnehmen kann, merkt man schnell, dass man ansteht.

Vermittlerorganisationen

Somit kommt nur mehr der Weg über professionelle Organisationen in Frage. Diese haften im Streitfall und müssen sich bei Unverträglichkeit zwischen Gastfamilie und Kind um eine Ersatzfamilie kümmern. Soweit die praktischen und positiven Seiten. Sucht man im Internet nach “Auslandsjahr” erhält man auch massenweise Treffer. Hier beginnt allerdings das echte Wirrwarr.

Suche nach Agenturen, die Schuljahre im Ausland vermitteln

Die meisten, über das Internet erreichten Anbieter, haben ihren Sitz in Deutschland. Das ist kein Problem, wenn man nach mühsamen Nachfragen und Gegenchecks zwischen den Anbietern erfährt, dass alle nur Vermittler sind und vor Ort andere Partneragenturen agieren. Es wird auch dadurch irrelevant, dass sich die Anbieter um gar nichts in den Schulen im Heimatland kümmern, es gibt nicht einmal einen Leitfaden bezüglich An-/Abmelden, Bücher für das Jahr organisieren, Versicherungen etc.

Die Suche im Internet stellte mich nicht zufrieden, es waren zu wenig Anbieter für unser Zielland Frankreich dabei. Zudem ist es unmöglich über die Webseiten der deutschsprachigen Anbieter handfeste Informationen zu erhalten. Die Seiten sind mit endlosen Testimonials gefüllt wo alles super und fein dargestellt wird. Im Infoeck für Jugendliche des Landes Tirol liegen eigene Folder für Auslandsaufenthalte auf. Darin befinden sich auch Listen mit mehr österreichischen Anbietern und auch für exotischere Destinationen.

Unter kontaktierte Anbieter ist eine undifferenzierte Liste von Anbietern zu finden, die ich anschrieb.

Typen von Anbietern

Unabhängig vom Weg des Auffindens gliedern sich die Anbieter in drei Kategorien:

  1. 90% decken scheinbar grosse Organisationen ab welche die Standardländer USA und England anbieten, manchmal auch Frankreich und Spanien. Viele der österreichischen Anbieter dieser Art entpuppen sich im anschliessenden Email-Austausch als deutsche Unternehmen. Mit Spezialfragen wie dem Weiterführen der zweiten Fremdsprache waren all diese Anbieter überfordert. Obwohl zum Beispiel italienisch eine gängige zweite Fremdsprache in Frankreich ist, konnte sie uns nicht vorab garantiert werden. Schlimmer noch, stattdessen wurden kostenpflichtige Zusatzkurse angeboten. Eine weitere ungute Konstante bei diesen Anbietern: man wird zu einer Voranmeldung und einem Infogespräch genötigt und das eben ohne relevante Punkte wie Fremdsprachen abklären zu können. Das Infogespräch wird in Wien oder noch weiter Weg anberaumt, das ist natürlich nicht ideal für Tiroler.
  2. Es gibt paar öko-sozial engagierte Anbieter, die zum Beispiel fordern, dass man ein anderes Kind entgegennimmt. Hier wird auch mit viel offeneren Karten gespielt: so erfährt man, dass die Gastfamilien in der Regel keine finanzielle Vergütung erhalten, das gilt übrigens für alle Anbieter aller Kategorien. Das ist verblüffend, wenn die Vermittlerfirmen mindestens EUR6000 ausschliesslich für die Organisation verrechnen.
  3. Ein paar Reisebüros bieten ebenfalls Sprachaufenthalte an. Diese letzteren öffnen letztendlich die Augen zur Funktionsweise aller Anbieter. Vor Ort sind andere Organisationen tätig, man bekommt von diesen im Zielland letztendlich einen weiteren sehr umfangreichen Fragebogen. Da man anscheinend bei Reisebüros das Marketing nicht voll auf Sprachreisen legt, findet man das “Auslandsjahr” bei diesen nicht einfach. Dafür war man hier gleich schnell flexibler. Noch vor einer Anmeldung wurden Fremdsprachen, Sportmöglichkeiten und Sonderfälle abgeklärt.

Ich habe natürlich ganz am Anfang versucht das Pferd von hinten aufzuzäumen und zuerst französische Organisationen direkt in Frankreich kontaktiert. Das war ebenfalls nicht möglich, weil diese auch nur ihre Landsleute ins Ausland vermitteln. Manche organisieren auch den Empfang von Ausländern in Frankreich, verweisen aber darauf, dass die Anmeldung über Partnerfirmen im Heimatland erfolgen muss. Das ist sozusagen ein abgekartetes Spiel, dies erklärt auch die letztendlich einheitlichen Preise über alle Anbieter hinweg.

Unterkunftsarten

Es gibt im wesentlichen zwei Arten:

  1. Vollzeit in einer Gastfamilie, wenn nicht explizit anders gewählt liegt der Standort meist in einer Kleinstadt oder in einem Dorf in stadtnähe (Schulweg). Der Grossteil wird so angeboten, das macht auch Sinn, weil die meisten Kinder eben aus der eigenen Familie kommen und so auch das Kennenlernen des Landes am besten gewährleistet ist. Grossstädte werden gemieden, es soll am Land sicherer sein (argumentieren die Agenturen). Wir haben uns für die Gastfamilie in dieser Variante unterschieden.
  2. Im Internat, in der Regel bei der Schule oder in der Nähe. Oft gibt es zusätzlich eine Gastfamilie für das Wochenende und die Ferienzeit. Ich halte das für ein ziemlich mühsames Modell.

Sonderheiten:

Besonders mit der Zieldestination Frankreich bekommt man schnell Luxus-Packages serviert, in Privatschulen in Aix-en-Provence samt Internat. Abgesehen von den astronomisch hohen Zusatzkosten frage ich mich wie so das Kennenlernen des Landes (die Immersion) funktionieren kann.

Umgekehrt gibt es auch Anbieter, die den Bogen in die andere Richtung überspannen, allerdings ohne dass die Vermittlungsgebühr geringer wird: Internat mitten am Land nördlich von Rodez (man kann das menschliche Wüste nennen). Die Immersion kann da auch nicht gut klappen.

Preise

Die oben genannten EUR6000 sind ein Richtwert für das Minimum. Wichtig dabei ist, dass dies ausschliesslich die Vermittlungsgebühr darstellt! Folgende Posten sind nicht inkludiert:

  • An- und Abreise
  • Schulbus (wenn nötig; meist ist er gratis, das muss aber nicht sein)
  • Schulkantine
  • Schulmittel: Hefte, Bücher, etc.
  • Lebensunterhalt abseits des Essens (Kleidung, Selbstbehalte beim Arzt, etc.)
  • Taschengeld
  • Entschädigung der Gastfamilie inklusive Essen (wird nicht beglichen, es handelt sich meist um philanthropisch veranlagte Leute!)

Sinnlose Regionalwahl und dessen Hintergründe

Die so genannte Regionalwahl fällt auch unter das Kapitel Preis und sie ist eigentlich eine Farce. Man kann in der Regel unter ein paar Grossregionen wählen (in Frankreich zum Beispiel Bretagne, Aquitaine, Languedoc-Roussillion). Diese Regionen sind so gross, dass sie keine echte Wahl darstellen, in allen gibt es jede Art von Stadtgrösse, viele bieten Berg und Meer, etc. Preislich verdoppelt die Wahl einer Region ungefähr die Gebühr, man landet also zwischen EUR10000 und EUR12000.

Paris kostet noch einmal extra, der oben erwähnte Fall einer Internatsschule in der Provence läuft preislich sowieso ausser Konkurrenz.

Man kann sich fragen, warum die letztendlich sinnlose Regionalwahl so teuer ist. Das erklärt sich über die Nichtbezahlung der Gastfamilien: es sind diese Gastfamilien welche letztendlich die Kinder auswählen. Der Hauptjob der Partnerorganisation vor Ort im Zielland ist das Akquirieren von Gastfamilien, nur mit einem ausreichend grossen Pool an Gastfamilien können zusammenpassende Kinder und Familien gefunden werden. Der Prozess ist zweistufig: die Organisation im Zielland stellt einen umfangreichen Fragebogen aus, dem man als “Kunde” ausfüllen muss. Anhand dessen wird eine Vorauswahl getroffen (über Familientyp, Interessen, Standort, etc.), die Gastfamilien erhalten dann eine Hand voll Bögen und können daraus auswählen.

Es wird seitens der Organisationen hohen Wert auf das “Zusammenpassen” von Kind und Gasteltern gelegt. Das mag löblich erscheinen, es liegt ihnen aber nicht primär am Wohlergehen des Kindes, das ist nur eine erwünschte und willkommene Nebenwirkung. Wirklich mühsam und teuer wird es für die Organisationen, wenn Gastfamilie und Kind nicht harmonieren. Dann müssen sie nämlich unter dem laufenden Schuljahr eine weitere Gastfamilie im Umkreis der besuchten Schule suchen. Das erklärt zum Teil den wirklich mühsamen Fragebogen und das rechtlich nicht ganz astreine “Allgemeine Reglement“, welches die leiblichen Eltern und das Kind unterzeichnen müssen.

Schränkt man nun die Region durch eine Regionalwahl ein, verringert sich die Anzahl möglicher passenden Gastfamilien und alles verkompliziert sich. Auch wenn man das Geld hat, sollte man die Regionalwahl nicht nützen. Dadurch verringert sich nämlich die Trefferquote für alle Beteiligten in einem Jahr, denn in einer Region gibt es dadurch auch nicht mehr Gasteltern.

Die Auswahl

Einen Anbieter von Schuljahren im Ausland wählt man am besten über einige Knock-Out-Kriterien aus. Das kann die Destination sein, oder auch spezielle Schulfächer können relevant sein. Der Anbieter muss sich vorab darum kümmern, es nutzt nichts im Nachhinein festzustellen, dass die zweite Fremdsprache nicht angeboten wird aber einfach hätte angeboten werden können. Es geht oft wirklich nur um’s Wollen…

Es bringt nichts länger mit mehreren Anbietern herumzuschreiben, meist wird das auch über eine Voranmeldung unterbunden.

Einige grosse Anbieter preisen so genannte “Soft-Landing-Camps” an. In der Regel handelt es sich um einen Zwischenschritt, das Kind wird in seiner Muttersprache im Zielland abgeholt, grosse Organisationen fassen mehrere gleichzeitig ankommende Kinder zusammen. Klingt nett, kann aber nur ein Werbeschmäh sein, oder auch gut gemeint und vollkommen sinnlos. Es werden wohl keine Eltern ihr Kind völlig unvorbereitet auf die Reise schicken, Eltern die ihr Kind noch nie alleine Reisen haben lassen (um einen Freund zu besuchen, etc.) werden ihre Trennungsangst wohl auch nicht für einen (aus ihrer Sicht) so grossen Schritt überwinden können. Ein Kind, das man so auf die Reise schickt, braucht keinen “Zwischenempfang”, am Ende kommt es sowieso in die Gastfamilie. Das ist der entscheidende Moment.


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