Mit Greyhound von Vancouver nach Seattle

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Einreisevermerk im Bus von Vancouver nach Seattle

Hier beginnt eine vier-wöchige Reise zu zweit durch den Westen der USA. André und Christian haben sich dafür gefunden. Man kann es auch anders formulieren: niemand anderer wollte bei der grossen Runde mit über 10000km mitmachen. Die Tour schliesst an drei Wochen Exkursion mit dem Institut für Geograpgphie der Universität Wien an.

Vancouver verlassen

CAN-IS 1 E, BC 15 S, BC 176 S: Cloverdale, Blaine (WA)

West Broadway in Vancouver: Blick aus dem Hotel nach Osten.

Mit Eva wollen wir nach Seattle gelangen, wo unser angemietetes Auto wartet. Zunächst heißt es unglaublich früh (um 6:45): “Raus aus den Federn”. Nach einem gemütlichen Frühstück (Gudrun, Eva, André und Chri) im Bino’s fahren wir per Taxi über den Broadway zur Main Station (=Bahnhof und Busterminal). Die Karten müssen wir auf einem Schalter im Bahnhof besorgen (ziemlicher Papierkram). Schnell werden noch die letzten Can$ in US$ umgetauscht. Schließlich steigen wir in einen typischen silbergrauen Greyhound-Bus. Ganz so elegant wie’s zuerst schien, geht’s dann doch nicht zu: Der Busfahrer ist äußerst aggressiv und warnt gleich einmal alle, die irgendwelche Drogen oder Waffen mit sich führen.

Kurz nach dem Start nervt ihn eine neben André sitzende Pseudo-Geschäftsfrau noch besonders, indem sie ihn auffordert, den Mund zu halten und zu fahren, woraufhin er kurz stehenbleiben muss, um sie voll anbrüllen zu können. Im Bus läuft zwar ständig eine Klimaanlage, aber das Gefühl, keine Luft zu haben, ist ständig um uns. Die Luft aus den Öffnungen, die “sinnvollerweise” gleich unter der Nase beim Fenster angebracht sind, ist warm und sehr grausig. Naja, aber für die nächsten paar Stunden müssen wir uns damit wohl oder übel abfinden.

Zunächst scheint es, als würden wir falsch fahren, als es am Trans-Canada-Highway Richtung Osten losgeht. Doch bald zweigen wir ab, und dann geht es schnurstracks auf der 176. Street (15,7 km geradeaus) zur Grenze. An einem kleineren Grenzübergang (nördlich von Blaine) müssen wir dann mitsamt dem ganzen Gepäck aussteigen, ein Visum ausfüllen, durch den Zoll kommen, und vor allem 6 US$ Gebühr zahlen. Insgesamt dauert die Prozedur wohl ca. eine 3/4 Stunde, was den Busfahrer wieder zu einer ordentlichen Moralpredigt veranlasst. Immerhin genießen wir die frische Luft zum Durchatmen.

Auf der weiteren Fahrt sieht man nicht viel, da wir auf einem großen Highway relativ weit im Landesinneren nach Süden fahren. In Washington-State überwältigen die weiten Wälder. Es gibt einen kurzen Halt in Bellingham am Hafen, wo wir auch die Bahn zu Gesicht bekommen. Sonst düsen wir allerdings auf der Autobahn dahin, die langsam immer breiter wird (8-spurig), und auch immer voller. Trotzdem wird das Tempo (55 mph) beibehalten. Ohne Vorwarnung landen wir dann in Seattle Main Station. Hier heißt es aussteigen, denn der Bus fährt dann non-stop weiter bis nach L.A.

Seattle

Jetzt sind wir eindeutig nicht mehr in Canada. Der schwarze Gepäcks-Auslader geht wild mit unseren Sachen um. Wir dürfen das Gepäck nicht selber herausnehmen. Aber nicht, dass wir es schön in die Hand gedrückt bekommen, nein, er schleudert es mit voller Wucht auf den Asphalt. Zum Glück ist keiner von uns mit Grand’ma’s Porzellan unterwegs.

Weit und breit ist keine Tourist-Information zu sehen, also beschließen wir, ein Taxi zu nehmen. Doch auch kein Taxi war sichtbar. Schließlich taucht ein Mafioso-ähnlicher Chauffeur mit Buick-Limousine auf und meint, er sei ein ganz normales Taxi. Wir steigen in den schmucken Wagen ein, und als wir drinnen sitzen, macht es “tschack” und alle Türen sind verriegelt. Wir zerbrechen uns gar nicht mehr den Kopf, was uns der “Spaß” kosten würde, sondern ob wir da auch jemals wieder lebendig herauskommen! Doch er bringt uns an unser Ziel, sogar recht flott und für nur 4US$. Kein Wunder, denn 1942 West Lake Ave ist der Häuserblock gegenüber. Erstes Lehrgeld.

Seattle Downtown National Car Rental

Bei National Car Rental schaut man uns etwas fragwürdig an (vor allem die am 30.6. abgelaufenen Gutscheine vom Raiffeisen-Reisebüro), rückt dann aber doch mit dem Schlüssel heraus. Wir hatten in Wien die billigste Kategorie bestellt, die gibt es hier aber gar nicht. Also bekommen wir die nächst- (oder übernächst-) größere, immerhin 4-türig und mit g’scheitem Kofferraum. Leider sind die Sitze nicht fürs Schlafen im Inneren gedacht. Der Überhit: die Marke: “GEO”, bordeaux-rot metallisé. Autokennzeichen: Washington: “441 GIZ”. Zu Beginn sind 21954 Meilen (35331 km) drauf.

Naja, schließlich muss sich einer hinters Steuer setzen und losfahren, und weil André angeblich der Stadtmensch ist, kann er sich nicht drücken. Aber es fehlt halt ein Pedal, und wenn man die Bremse loslässt, fährt das Ding von alleine ziemlich flott los. Böse wenn die Ausfahrt eine Rampe in den Stadtverkehr ist! Aber wenn man den Unterstand verlassen hat, bleibt keine Wahl mehr. Irgendwie geht’s dann im recht dezenten Verkehr doch. Nach ein paar Kurven um einige Häuserblocks und ein paar Vollbremsungen (der linke Fuß sollte angenagelt sein), hat André es so ungefähr heraus wann und wie das Auto beschleunigt (viele Pferde sind eh nicht unter der Haube). Schnell gewöhnt er sich auch an die federleichte Servolenkung.

Der Stadtverkehr ist bis auf einige Ausnahmen ruhig, übersichtlich und regelmäßig: Es gibt eigentlich nur 3- bis 4-spurige Einbahnen, unabhängig vom Gelände. Wenn man etwas versäumt hat, muss man nur 4 x rechts abbiegen, und man ist in der Regel wieder dort, wo man hin will. Etwas gewöhnungsbedürftig sind die Ampeln, da sie sich nicht wie bei uns in der Mitte über der Fahrbahn, sondern an den gegenüberliegenden Gehsteigecken befinden, wo bei uns höchstens die Ampel für Abbieger angebracht ist. Hat man sich an einer Kreuzung einmal falsch eingereiht, genügt es Gas zu geben, da die statistische Wahrscheinlichkeit, dass ein Zweiter an der selben Kreuzung einen Kavalierstart hinlegt, gleich Null ist
Doch wir sind nicht (nur) zum Autofahren gekommen, also versuchen wir das Auto wieder loszuwerden. Das ist ein teurer Spaß (bis zu $10/Std). Wir beugen uns und bringen das Auto unter. Zahlen tut man dort in einen Kasten der wie ein Sparverein in einem Landwirtshaus aussieht. Wie das ordnungsgemäß wirklich funktioniert, haben wir nie restlos geklärt. Wir werfen trotzdem für zwei Stunden das Geld hinein. Mittag ist schon länger vorbei und so ist es höchste Zeit, unsere Mägen zu füllen. Das geht auch recht gut, billig und ohne Fast-Food in der Pike-Street. Die Eiswürfeln im gratis Chlorwasser sind allerdings ziemlich übertrieben, bei der klimatisierten Temperatur von etwas über 10°C. Uns ist wirklich kalt beim Essen…

Nächstes Ziel: Es ist Nachmittag und wir wollen auch irgendwo schlafen. Wir finden die Jugendherberge, doch diese ist restlos überfüllt. Also gilt es die Tourist-Information zu löchern. Dort erhalten wir eine Liste mit den Campingplätzen rund um Seattle. Telefonisch erreichen wir nichts, und so peilen wir einfach den am nächsten gelegenen (16 km) an. Vorher erkunden wir die Stadt noch zu Fuß: Ein bisschen Down-Town, eine kurze Pause in einem kleinen Park am Puget Sound, beim Aquarium.

Downtown Seattle: Die Skyline ist homogen und wirkt fast unecht. Seattle ist die größte Stadt im Nordwesten der Vereinigten Staaten. Der Stadtname geht zurück auf den legendären Indianerhäuptling Seattle (1786–1866), der wegen seiner berühmten, aber nicht im Original dokumentierten Rede eines der großen Idole der Ökologiebewegung des späten 20. Jahrhunderts wurde. Seattle trägt die Beinamen The Emerald City (“Die Smaragdenstadt”), was eine Anspielung auf das viele Grün in der Stadt ist, die vielen Bäume und Büsche und Rain City. Der Spitzname kommt von den vielen wolkenreichen und regnerischen Tagen im Jahr.

Dort überlegen wir uns das Programm für Mittwoch. Weil die Parkgenehmigung aber schon abgelaufen ist, müssen wir das Auto verlegen (weiter nach Osten?). Wir kaufen noch Ansichtskarten und schauen uns weiter um. Im letzten Moment (kurz vor 6) muss André noch eine Liegematte besorgen. Die Geschäfte werden bereits geschlossen, ganz im Gegensatz zu so machen Vorstellungen über die USA. In einem Nobelgeschäft wird er dann fündig, und er entscheidet sich mit Visa für die teuerste Variante, die aber selbst in diesem Geschäft nur 70% des europäischen Preises ausmacht (Diese original Thermarest-Matte ist 2017, also 21 Jahre danach noch immer einwandfrei und im Betrieb!
Es ist wirklich in letzter Minute, denn bis zur nächsten grösseren Stadt die wir bei Tageslicht erreichen, soll es noch eine gute Woche dauern.

Camping Lake Sammamish

IS 90 E: Lake Sammamish

Wir verlassen Seattle vorerst gen Osten (zusammen mit dem ganzen Abend-Stadtverkehr), und fahren dabei über den Lake Washington auf der Evergreen Point Floating Bridge (riesige Ponton-Brücke) am Hwy 90 East Richtung Bellevue. Von der Abfahrt zur Brücke gibt es einen herrlichen Blick zum Mt. Rainier in der Abendsonne. Mit einer vagen Beschreibung fahren wir bei der Ausfahrt Issaquah vom Highway ab und landen tatsächlich beim netten Lake Sammamish, bei Sunset. Viel ist dort nicht los, dennoch stolpern wir über Deutsche, was noch ein paar Mal vorkommen sollte, aber weitaus seltener als in Europa. Der Campingplatz ist mit $18,- zwar nicht billig, aber es ist wohl ein normaler Preis in Stadtnähe. Die Platzwärterin ist sehr freundlich. Wir kaufen noch bei einem 24-Std.-Supermarkt fürs Frühstück usw. ein. Das Abendessen hat noch sehr viel zu bieten, es ist auch noch ziemlich hell beim Essen. Eva schläft auch ohne Matte gut.

Lake Sammamish

Mittwoch, 3. Juli 1996

Fürs eigens zubereitete Frühstück konnten wir in Canada schon üben, hier am Zeltplatz funktioniert es auch recht gut. Bloß mit den verschiedenen Versionen (Müsli, warme Milch oder Café, Nutella-Brot) müssen wir noch zurecht kommen. Doch in den kommenden vier Wochen sollte in der Regel jeder bekommen was er gerade will. Bis auf zwei Tage werden wir auch immer Milch haben, was bei den bevorstehenden Temperaturen keine Selbstverständlichkeit ist.

Erster Zeltabbau. Den ersten Versuch das Auto einigermaßen logisch einzuräumen verschieben wir auf den Zeitpunkt, wo wir nur mehr zu zweit sind.

Seattle Aquarium

IS 90 W: Seattle Center

Fischotter beim Mittagessen beim Rückenschwimmen

Fahrt nach Seattle. Das Auto muss wieder verstaut werden, diesmal in einem Parkhaus in der University St. Dort organisiert André gleich einen heftigen Kratzer im Lack des hinteren linken Kotflügels, der ihm noch ein paar schlaflose Nächte bereiten wird, da wir aus der Versicherungspolizze und den anderen Zetteln nicht wirklich klug werden. Der Fall wird erst im August bei der Visa-Rechnung der Autovermietung in Österreich geklärt.

Zuerst geht es ab ins “Seattle Aquarium”, einem auf den Pieren angelegten lebendigen Museum. Dem angeschlossen (und im Sammelpreis inbegriffen) ist das Omnidome, eine Art Imax-Kino mit konkaver Leinwand. Dort schauen wir uns “The eruption of Mt. St. Helens” an. Es handelt sich um Original- und rekonstruierte Aufnahmen nach dem Vulkanausbruch von 1980.

Das Aquarium selber ist faszinierend. Die verschiedensten Tiere werden einem vorgeführt, wenn auch nicht sehr systematisch. Dass sie keine Killerwale zur Schau ist positiv zu werten. Im kühnen Anbau aus Beton geht man in verglasten Gängen unter riesigen Aquarien durch, wo ein ganzer Küstenabschnitt (inkl. Haie, etc.) simuliert ist. Außen ist eine Fischleiter eingerichtet, die die Lachse als echten Bach interpretieren und an dessen Ursprung sie zum Laichen zurückkehren. Auf einer verglasten Stelle über dem Besuchergang wimmeln einem 100000 Lachse über dem Kopf herum.

Glaskuppel unter Wasser im Seattle Aquarium: Die Kuppel besteht aus einem Stahlbetonnetz und die Sichtfenster sind mit Sicherheitsglas bestückt. Man kommt sich vor wie in einem U-Boot, allerdings ist man nicht besonders weit unter Wasser, wie man am starkem Lichteinfall sieht. Das Hauptanliegen des Aquariums ist die Dokumentation (und somit die Nachbildung im Kleinformat) des Ökosystems des Puget Sound. der Bucht an der Seattle liegt.

Am Rückweg schlendern wir durch den Pike Place Market in den fünf 5 Stockwerken. Dieses alte Gebäude aus Holz überbrückt den Steilabfall vom Stadtniveau zum Meer hin. Rund um den Pike Place Market (Fischmarkt seit 1907) gibt Seattle ein seltsames Bild ab. Enge verwinkelte Straßen, kleine bunte aber qualitative Geschäfte. Dem verführenden Duft einer Bakery können wir nicht widerstehen und wir kaufen uns gute Weckerl, die wir auf einer verdammt steilen Straße sitzend verzehren. Dabei bewundern wir die Bergfahrkünste der Amis mit den Automatikautos. Die 1st Ave, mit der die Downtown eine Gasse weiter beginnt, fällt hier gar nicht auf. Kurven noch durch die Gegend, doch Seattles Stunde hat für die nächsten 3 1/2 Wochen geschlagen.

WA 519 S, WA 99 S: Richtung Süden
West Seattle Freeway (AR): Duwamish Waterway
WA 509 S, WA 99 S, WA 509 S: Seatac Airport

Ganz so einfach kommen wir nicht aus der Stadt hinaus. Wir sollen Eva beim Flughafen absetzen, also versuchen wir auf den Hwy 99 zu gelangen, denn auf dem IS 5 befürchteten wir am Ziel vorbeizufahren. Doch der Hwy 99 ist noch nicht vollständig ausgebaut und so nehmen wir dummer Weise den West Seattle Freeway, der wie der Name schon sagt mehr nach Westen als nach Süden führt. Da wir von diesen auch schleunigst herunter wollen und nur nach rechts weg können, landen wir auf einer Insel am Ende des Duwamish Waterway in der Elliott Bay. Klingt romantisch, es handelt sich allerdings um den Industriehafen von Seattle. Immerhin bietet sich durch die Gitter eines hohen Zauns ein netter Rückblick auf die Downtown.

Irgendwie klappt es dann doch, wir finden sogar Evas Hotel für ihren Treffpunkt (da wir immer nur den Flugzeugen folgen). Christian begleitet Eva noch zur Lobby, André begutachtet erstmals ernsthaft den schon erwähnten Kratzer im Lack. Dann sind wir endlich auf uns gestellt, und es geht gleich munter weiter.

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