Thema: Auslandsjahr für Jugendliche.
Nach den Anfangsschwierigkeiten mit falscher Klasse, fehlender Fremdsprache und zuletzt einem Gastfamilienwechsel, läuft das Schuljahr richtig an und der Kommunikationsdrang unseres Sohns nimmt drastisch ab. No news are good news.
Wir Eltern sind erleichtert und fallen aber irgendwie in ein “Informationsloch”. Wir bewegen und täglich im Internet und sind auch alle auf Facebook, Instagram etc. aktiv, aber das heisst noch lange nicht, dass sich Jugendliche über diese öffentlichen Kanäle mitteilen. Das bevorzugte Mittel sind geschlossene Whatsapp-Gruppen. Also ertappt man sich als Elternteil schon dabei mal blöd nachzufragen und erhält die nichtssagende Antwort, dass “alles passt und es nichts neues gibt”. Es ist, streng genommen, recht ähnlich zu dem Zustand, bevor er das Auslandsjahr begann.
Unser Sohn kontaktiert uns im wesentlichen bei Anfragen für mehrtägige Ausflüge mit der Schule und bei Problemen im Bankverkehr. So kann die Kantine anfangs nur per französischer Bankkarte, Kreditkarte oder Scheck bezahlt werden. All diese Punkte sind aber sehr formeller Art.
Erstes Zeugnis
Wir haben über ein Online-System Zugriff auf die Noten zu Tests und anderen bewerten Aufgaben und sehen, dass sich unser Sohn nicht schlecht schlägt. Natürlich bleibt er im ersten Trimester in Französisch negativ, das ist wenn man die Sprache nur redet, aber nicht schreiben kann, ganz normal. In allen anderen Fächern ist er positiv, teilweise auch Klassenbester oder knapp dahinter.
Wenn wir uns bei ihm melden, bekommen wir öfters zu hören, dass er keine Zeit habe und lernen müsse. Das ist etwas ganz neues für uns, zu Hause wäre ihm nie eingefallen, sich nicht unterbrechen zu lassen. Anscheinend nimmt er die Aufgabe ernst, sich selber auf den Stand seiner Klassenkameraden zu bringen. Wir Eltern staunen nur. Ich führe das darauf zurück, dass er ganz regulär dem Noten- und Zeugnissystem unterworfen ist.
Er erntet auch gleich die Früchte seiner Arbeit und bekommt auf Anhieb für das erste Trimester “Félicitations” (die höchstmögliche Auszeichnung auf der schriftlichen Gesamtbewertung des Schülers). Mit einer negativen Note geht das normalerweise nicht, aber ich denke es wurde wirklich sein Aufwand anerkennt. In den weiteren Zeugnissen war dann auch das Fach Französisch positiv.
Da es nur Deutsch als Zweitsprache gab, bleibt ihn nichts anderes übrig als dort mitzumachen. Der Lehrer nutzt dies auch positiv, indem er ihn als Assistenten einsetzt. Der Lehrer ist Schweizer und so kommt es zwischen den beiden zwischendurch zu Uneinigkeiten bezüglich dem richtigen Hochdeutsch. Aufgrund seiner muttersprachlichen Kenntnisse wurde er in Deutsch nicht benotet.
Weihnachten und Neujahr
Recht schnell steht der Jahreswechsel im Raum, doch es ist von Anfang an klar, das wir uns da nicht sehen werden. Wir feiern auch zu Hause diese Zeit nicht übermässig, die Gastfamilie macht eben sowenig grossen Aufwand in dieser Zeit. Wir schicken natürlich ein Päckchen, mit Geschenken, wie unser Sohn sie auch bei uns zu Hause bekommen würde. Zusätzlich gibt es noch eine Extra-Ration selbstgemachte Keks.
Die Gastfamilie
Man kann sich keine Familie aussuchen, auch die Gastfamilie weiss nicht, welches Gastkind sie letztendlich bekommt. Natürlich vergleicht unser Sohn immer die Situation mit jener, die er von zu Hause kennt und urteilt selber recht harsch über Umstände, die er nicht so toll findet. Aber das gehört ebenso zum Lernprozess, wo anders zu leben. Seine Gastfamilie besteht aus einer allein erziehenden Mutter, einem gleichaltrigen Sohn und einer Grossmutter im Haus nebenan. Die Mutter arbeitet viel und hat einen langen Anfahrtsweg zur Arbeit, dabei bleibt letztendlich wenig Zeit zu Hause. Auch am Wochenende gibt es nur selten ein Programm, die flache Gegend rund um Nantes bietet nicht allzu viel, besonders im Herbst und im Winter. Aber auch wir als Eltern unternehmen nicht immer etwas.
Das Zusammenspiel mit dem gleichaltrigen Sohn, der in die Nebenklasse geht, ist gut. Aber eine beste Freundschaft wird nicht daraus. Das muss auch nicht sein und es spornt an, dass auch im Dorf- und und im Schulumfeld Freunde gesucht werden. Freundschaften, die man sich selber aussucht, halten länger.
Das soziale Umfeld der Schule
Die Landschaft und das Wetter faszinieren unseren Sohn nicht so sehr, Frankreich hat halt auch recht viele fade Landstriche. Die Familie ist nett, aber auch nicht der Ort, wo er voll ausgelastet wird. 15/16-jährigen Jugendliche werden auch nicht unbedingt in der Familie die Nähe suchen, die sie brauchen. Dafür sind eher Freunde da. Diese fehlen natürlich am Anfang eines Auslandsjahrs vollkommen (vielleicht mehr als die Eltern), aber die Schule bietet sehr guten Ersatz. Sowenig unser Sohn bis jetzt Schule grundsätzlich mochte, sosehr hat es uns überrascht, wie sehr er die Schule in Frankreich schätzt. Das ging am Schulende sogar so weit, dass er befand, dass ihm seine dortigen Klassenkameraden wichtiger wären, als seine alten in Österreich.
Mit der Klasse der “2nde” startet in Frankreich das Lycée und damit werden auch Klassen neu zusammengewürfelt. Natürlich kennen sich viele von den Jahren davor, aber wenn ein Auslandsschüler in solch eine Klasse kommt, hat er es wesentlich einfacher, Anschluss zu finden. Das Alter von 15/16 Jahren ist auch ganz ideal um neue Bekanntschaften zu schliessen. Genau diese Chance hat unser Sohn genutzt.
Schulschluss
Das Jahr verläuft somit nach dem Familienwechsel für uns Eltern recht ereignislos und das ist gut so. Erst gegen Ende melden sich wieder die Agenturen, es dreht sich wieder um das damals angekündigte Datum des Schulschluss, den die französische Agentur einseitig mit 15. Juni 2018 festsetzte. Der Termin ist willkürlich gewählt und wurde uns schon im Herbst 2017 mitgeteilt. Es stimmt zwar, dass sich danach nicht mehr viel in den Lycée-Klassen tut, aber wie kann eine Organisation das einfach so entscheiden? Offizieller Schulschluss ist nämlich 6. Juli 2018. So habe ich auch immer die Agenturen darauf hingewiesen, dass ich den Termin nicht zur Kenntnis nehme und mich an die Schule halte.
Die Agenturen haben sich das gemerkt und mir Anfang Mai ein “Voluntary Programm Release Form” zukommen lassen: ” release CEI and any persons connected thereof from liability or responsibility for anything that may befall after the date of the release.” Datum: wieder der ominöse 15. Juni. Ich habe nicht darauf reagiert, obwohl mehrmals urgiert wurde. Ich war nicht bereit mein Kind einfach verfrüht aus seinem sozialen Umfeld zu reissen, vielleicht machen die Kinder sich ja noch was aus, gehen gemeinsam Schwimmen, oder unternehmen noch etwas? Der Familie kann es auch gleich sein ob das Gastkind nun ein paar Tage länger vor Ort bleibt, abgesehen sind wir Eltern ja mit der Gastfamilie in Austausch.
Unser Sohn ist letztendlich am 23. Juni 2018 zurück geflogen, die gesamte Heimreise wurde von der Gastfamilie und von uns Eltern organisiert. Die Agenturen boten rund um die Heimreise nur theoretische und letztendlich sinnlose Hilfe. So gab es zeitliche Probleme, unseren Sohn zum Flughafen zu bringen. Doch die Regionalbetreuerin, die genau für solche Fälle da ist, hat alternativlos abgewunken.
Wir haben unseren Sohn nach einem Jahr wieder am selben Flughafen in Empfang genommen.
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