Obstbäume schneiden und der Mond

Fachlicher Schnitt und Vegetationsperiode

Die meisten gängigen Obstbäume sind dahingegend gezüchtet, dass sie jährlich neue Triebe produzieren. 70% davon sind nicht brauchbar, aber ein kleiner Teil bildet zukünftige Fruchtäste, welche in den Folgejahren einen guten Ertrag sichern. Man steuert durch den Winterschnitt das Wachstum hin zu einer ausgeglichenen und durch Sonnenlicht durchfluteten Baumform. Dabei schneidet man unter Umständen grosse Teile weg und leitet zu lange Ruten auf kleinere Verzweigungen ab. Daraus ergeben sich je nach Baumgrösse mehrere Hundert verschieden grosse Schnittflächen, die vor allem ein neues Wachstum anregen. Wenn es um die Korrektur einer Baumform geht, wird man durch das Wachstum neue Hauptäste anregen, anderenfalls zielt man auf neues Fruchtholz und eine bessere Obstqualität ab.

Man schneidet im Winter, also in der Vegetationspause. Es muss zwingend ein trockener Tag ohne Regen- und Schneefall sein. Durch die Feuchtigkeit trocknen die Schnittwunden nicht schnell genug ab, die Zellen verschliessen sich dort nicht und diese Wunden werden zum Einfallstor für Viren, Bakterien und Pilzsporen. Auch am Boden liegender Schnee ist bei grossen Bäumen ungünstig, weil man über die Leiter und durch Klettern im Baum Schnee und Erde in den Baum trägt. Zudem ist Feuchtigkeit und Schnee auch für den Baumschneider gefährlich. Im Winter schneidet man auch aus historischen Gründen: die Bauern hatten damals nur zu dieser Saison Zeit dafür.

Zusammengefasst: man schneidet in der Regel in den Monaten ein paar Wochen nach vollständigem Laubfall und bis in die Blüte hinein und das nur bei Schönwetter. Man schneidet in der Regel ausserhalb der Wachstumsperiode.

Winterruhe und Saftflüsse

Im Herbst werden die Blätter rot und gelb. Diese Farbänderung enspricht dem Entzug von Zuckerstoffen, welche von den Blättern in die Hauptäste und dem Stamm umgelagert werden. Die Blätter fallen ab, wenn der Saftfluss von den Wurzeln über den Stamm und die Äste aufhört. Der Baum schläft, er ist in Winterruhe. Die Zuckerstoffe sind unter der Rinde abgelagert, sie ersetzen die wassrige Lösung und bilden so eine Art Frosschutz. Aus diesem Grund riecht im Winter geschnittenes Obstholz süss und intensiv. Im Sommer riecht es grün wie geschnittenes Gras.

Winterruhe bedeutet absolutes Einstellen jegliches Wachsums. Es gibt keinen Saftfluss von den Wurzeln aufwärzts weil die saugende Wirkung der Verdunstung über die Blätter fehlt. Wenn man in dieser Periode, grob von November bis März schneidet, reagliert der Baum nicht, egal welche Art Schnitt man ansetzt. Es trocknen lediglich die Schnittflächen ein. Eine Reaktion erfolgt erst nach der Blüte beim Ausrollen der Blätter.

Doch wie funktuionniert die Knospenbildung, das Blühen und das Herausbilden der Blätter? Blatt- und Blütenknospen werden bereits in der vorigen Vegetationsperiode angelegt. Man sieht dies bei Strauchobst besser als bei Bäumen, das Prinzip ist aber das selbe. Zum Wachstum dieser Knopsen werden die im Herbst einglagerten Zuckerstoffe herangezogen. Über Osmose wandern diese vom Stamm zu den Knopsen und versorgen so Blüten und junge Blattknospen. Zu diesem Zeitpunkt ist noch kein Saftfluss von den Wurzeln aktiv, weil wir noch immer keine ausgerollten Blätter haben! Der Beweiss, dass es keinen Wasserfluss aus dem Erdreich gibt: an im Winter abgebrochenen Ästen schwellen Knospen und manchmal bilden sich auch noch Blüten und Blätter.  Faktisch dauert die Winterruhe bis zum Herausbilden der Blättter, also über die Blüte hinweg. Man kann deswegen Obstbäume auch bis in die volle Blüte hinein schneiden, bei Marillen passiert dies recht oft. Man muss allerdinsg auf die Temperatur achten, wenn es nachts nicht mehr friert, steigt das Infektionsrisiko an den Schnittstellen.

Zusammenfassend: Winterruhe herrscht ohne Blätter. Es gibt keinerlei Saftflüsse, alle Zuckerstoffe sind in Kambiumzellen eingelagert die jegliche Osmose und Astausch unterbunden haben.

Sobald Blätter vorhanden sind, funktioniert die Photosynthese der Blätter von den Wurzen aufwärts. Der Beginn der Vegetationsperiode hängt vom Sonnenstand und mehrtagigen Durschnittstemperaturen ab, mit dem Kimawandel verschiebt sich dieser Zeitpunkt auch. Das Astwachstum wird schon grossteils aus dem normalen Saftfluss in der Vegetationsperiode bestritten.

Das heisst, wir schneiden an einem beliebigen Tag zwischen Herbst und Frühling, diese Periode erstreckt sich in der Regel über mindestens vier Monate. Der Baum ist unberührt von Sonnenstand, Mondstand und Wetter. Der Baum reagiert in keiner Weise zwischen den zwei Zeitpunkten. Ein gewisser Schnitt am 10. Dezember oder am 5. März erzielt ein und die selbe Reaktion mit dem Start der Vegetationsperiode. Auch Sträucher und sogar Gräser reagieren ebenso.

Wachstum und Mondphasen

Der Mond hat unleugbare Einflüsse auf die Erde und dort vor allem auf Flüssigkeiten. Man sieht das eindrücklich an Ebbe und Flut. Dieser Effekt spielt sich im kleinen Rahmen auch in Seen, Wasserlacken und letztendlich in Zellen ab, so auch in den “Leitungsbahnen” der Baume zwischen Wurzel und Blatt. Man kann also annehmen, dass bei hoch stehendem Mond der Wasserfluss im Baum (der gegen die Schwerkraft arbeiten muss) erleichtert wird. Dieser periodische Effekt dauert knapp 12 Stunden, lässt 12 Stunden nach und beginnt wieder von vorne (anomalistischer Mondrhythmus, Bahnperioden). Die Sichtbarkeit des Monds (Neumond bis Vollmond) ist unabhängig vom Effekt der Anziehungskraft des Monds. Dieser Zyklus (synodischer Mondrhythmus) dauert im Mittel 29,5 Tage.

Die Mondbahn schwankt und so gibt es stärkere und schwächere Mondphasen, was sich an Ozeanen auch durch stärkeren oder schwächeren Tidenhub niederschlägt.

Legen wir nun diese knapp 12 Sunden und diese knapp 30 Tage auf Ruheperiode und Wachsum um

  • Wir haben oben gesehen, dass es in der Ruheperiode keine bewegbaren Flüssigkeiten im Baum gibt, keinerlei der Mondperioden hat hier einen Einfluss.
  • Das Knopsentreiben wird aus den eingelagerten Zuckerstoffen Betrieben, deren Beweglichkeit von Zelle zu Zelle hängt vor allem vom Temperaturgefüge ab. Im Wesentlichen müssen sich auch beschattete Stammabschnitte erwärmen, es reicht also keine Wintersonne alleine. Der Prozess startet rund 2 Wochen bevor die Blüten sichtbar werden. Die Blütte kann sehr schnell aufgehen, aber auch sehr langsam wenn die Temperaturen fallen und die Osmose in den Zellen zum Erliegen kommt. Diese Phase passt zu keiner der Mondperioden, besonderns halten sie sich nicht an singuläre Peaks in der Mondlaufbahn.
  • Das aktive Wachstum (Triebwachstum, Obstausbau) beginnt nach der Blüte und dauert im Wesentlich bis in den Juli. Unter speziellen Bedingungen (Schädlingsbefall) kann im Spätsommer eine zweite Wachstumsperiode starten (vor allem Steinobst). Bei Klima-Anomalien kommen auch zweite Blüten im Herbst vor. Das Triebwachstum startet stark und verlangsamt um ab dem Sommer um dem Fruchtwachstum die Energie zu spenden. Der Photosynthese-Motor arbeite also durchgehend. Er ist ausschliesslich von der Sonne und vorhanden Wasser abhängig. Die Sonnenbahn hängt in keiner Weise mit dem Mondbahn zusammen.

Man sieht also, dass der Mondeinfluss nicht mit der wichtigeren Sonne korreliert. Wenn das Wachstum inkl. Fruchtausbildung sechs Monate dauert, fallen in deise Zeitspanne viele verschieden Mondanziehungsphasen.

Es gibt einen zweiten, physikalischen Effekt, der den Einfluss des Monds minimiert. Massen beeinflussen sich gegenseitig maximal wenn sie gleich gross sind. Je grösser der Massenunterschied, desto geringer wird der Effekt.

Auf Wachstum oder beruhigend schneiden

Das Baumschneider-1×1 besteht aus zwei Schnittarten:

  1. Schnitt in die Astmitte: Triebaregend.
  2. auf Astgabel ableiten: beruhigend.

Das gilt egal wann man den Schnitt setzt. Der Baum setzt dies in der Wachstumperiode um. Schneidet man in der Wachstumperiode, also im Sommer, so wird der Baum dies ebenso für die restliche Wachstumperiode umsetzen. Wesentlich ist aber, dass man diese zwei Schnittarten an zwei verschiesen Bäumen am selben Tag machen kann. Nehen wir nun an, wir schneiden an einem “mondgünstgigen” Tag. Dies kann doch nur besseres oder schlechters Wachstum bedeuten. Trotzdem kann ich besseres oder schlechters Wachstum ausschliesslich über die Schnittart steueren. Mit “Mondbezug” müsste man also untersciedliche Bäume an unterschiedlichen Tagen schneiden. Das geht nicht.

Ursprung “Mondholz”

Die Idee, den Obstbaumschnitt mit dem Mond in Verbindung zu bringen hängt vermutlich mit dem so genannten “Mondholz” zusammen. Es hält sich im Süddeutschen Raum und in Österreich der Glaube, dass Holz, welches die unter Berücksichtigung des forstwirtschaftlichen Mondkalenders gefällt wurde, haltbarer ist. Dieser Mondkalender ist ein astrologisches, also nicht wissenschaftliches Hilfswerk aus dem späten Mittelalter. Wir bewegen und also auf sehr schwammigen und nicht fundiertem Terrain. Es ist schon klar, dass man Holz, welches man besonders sorgsam züchtet, fällt, transportiert und lagert bessere Eigenschaften als eine 08/15-Fichte aus Litauen hat. Es ist aber so wie mit dem sorgsamen Umgang mit Obstäumen: die Pflege macht es aus, nicht der Mond.

Mag “Mondholz” historisch begründet sein, es bleibt ein Irrglaube. Noch wirrer ist allerdings die Ableitung auf Obstbäume. Bei diesen geht es ja um Erziehungsmassnahmen zur Ertragssteigerung und nicht um das Fällen zur Holznutzung.

Der Autor dieses Artikels ist ausgebildeter Baumwart des Verbands der Tiroler Obst- & Gartenbauvereine und verfügt über eine mehrjährige Praxis in der Pflege von alten Obstbäumen in Privatgärten und in gewerblichen Anlagen.


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