Thema: vom Lieferwagen zum Camper.
Vorgeschichte
Ursprünglich waren wir mit Kombis und Zelten unterwegs. 2007 war die letzte Steigerungsstufe dieser Variante ein Citroën Berlingo, in dem ich ein Bett einbaute. Wir waren im Sommer 2009 zu dritt mit dem Hochdachkombi in Island und es war wirklich grenzwertig. Auch mangelte es offensichtlich an einer Standheizung. Wir wollten letztendlich auch mehr in der Nebensaison unterwegs sein.
Obwohl ein guter Bekannter seinen VW T4 zum Camper Umbaute, war ich immer skeptisch: bei jeder Kreuzung kann der Totalschaden anstehen, Motorschaden kann einem auch widerfahren (und ist uns 2015 tatsächlich auch eingetreten).
Das Problem ist weniger das Fahrzeug, ein Transporter in LKW-Ausführung (Blech rundum und vorne, drei Sitze) kostet verhältnismässig wenig. Der Ausbau, ob man ihn nun machen lässt oder selber macht, multipliziert den Wert noch mal mindestens mal zwei. Trotzdem haben wir im Frühjahr 2010 den Berlingo vekauft und einen gebrauchten Renaut Trafic LKW gekauft.
Kleincamper-Leben Basisargumente
Das Leben mit einem Camper, egal welcher Grösse, ist natürlich ein anderes als mit dem Zelt. Es ist einerseits bequemer, anderseits kommt man nicht immer einfach an den See, auf die Insel. Auch auf Campingplätzen sind Zeltplätze oft schöner gelegen. Und natürlich kostet ein Camper viel mehr als ein Zelt.
Das Standortmanko macht man vor allem durch vermehrtes Wegfahren an Wochenende oder in der Nebensaison wett. Côte d’Azur Anfang November oder Norwegen im März macht man dann doch nicht mit dem Zelt. In der Nebensaison, wenn der touristische Druck verflogen ist und man sich sauber und diskret verhält, kann man frei auch an Stellen stehen, die sich andere Urlauber nur erträumen können.
Die Kosten kann man nur minimieren. Eine einfache Lösung ist, einen kleinen Transporter so auszubauen, dass er auch als Alltagsfahrzeug dienen kann. Der Verschleiss ist zwar höher, wenn man aber sonst mehrheitlich öffentlich unterwegs ist, wird dies vernachlässigbar. Rost nagt so und so am Gefährt.
Kosten kann man auch mit der vermehrten Nutzung rechtfertigen: der Camper ersetzt nicht nur den Zelturlaub, er kann auch Hotelkosten minimieren. In den ersten vier Jahren mit Camper habe ich ihn 34 Nächte pro Jahr genutzt, davon nur 12 am Campingplatz. Damit rentiert sich ein billiger Camper nur mit den ersparten Nächtigungskosten in Hotels.
Dieses ausgiebige Nutzen des Campers hat auch folgen für die anderen Urlaube. Flugreisen werden zum Nebenschauplatz für eine Zeit lang. Man will den Camper ja nutzen, geniesst die Stellplatz-Freiheit und kommt sich dann im Hotel auf einer Insel sehr beengt vor.
Ich schlafe in Camper auch besser als im Zelt. Lärm von draussen ist gedämpfter.
Format Transporter L1H1
Steigt man in die Liga der Transporter ein, gibt es auch viele verschiedene Grössen. Die Kleinste ist unter 5m lang und unter 2m hoch, die Grössten erreichen 7m Länge und über 270cm Höhe. Die Argumente für ein spezielles Volumen sind vielfältig, besonders über die Länge kann man streiten, es gibt jedoch folgende Punkte die uns zu der kleinsten Variante bewegt haben:
- Der Garagenplatz. Höher als 2m geht nicht, Länger als 5m wäre dort zum Wenden auch ungut.
- Sonstige Tiefgaragen oder Höhenbeschränkungen bei Parkplätzen, vor allem im Ausland: der Wert liegt oft bei 2,0m.
- Der Wenderadius ist bei allen Modellen einer Serie gleich, egal wie lang der Radstand ist. Das heisst die kürzeste Variante hat den besseren Wenderadius.
- In grössere Varianten passt mehr hinein, das stimmt. Die Erfahrung zeigt, dass man mit grösseren Fahrzeugen auch mehr mitnimmt. Neben den rechnerisch höheren Kosten (Spritverbrauch) gibt es aber ein viel schlagenderes Argument: Das Fahrzeug wird auch schwerer. Der Antrieb (2-Rad ohne Sperrdifferenzial) bleibt aber der selbe, es macht einen Unterschied, ob man sich mit 3t oder 3,5t Gewicht aus dem Gatsch wurstelt. Zudem sind grössere Fahrzeuge als Camper fast immer überladen und das wird auf Kontrollstellen auch gerne kontrolliert und ggf. abgestraft.
- Mit 5m Länge bleibt man bei einem Mass des Grundriss eines grossen Kombis. Einen modernen Transporter fährt man auch wie einen Kombi.
Diese 5 Argumente haben uns dazu bewogen, zur kleinsten Variante zu greifen. Man sieht manchmal dafür die Bezeichnung “L1H1”. Grössere Varianten sind z. B. “L3H2”. Diese Längen/Höhen-Kategorien sind nicht standardisiert, sie bezeichnen nur die Grössenvarianten innerhalb der Modellreihe einer Marke. So existiert der Renault Trafic in seiner Version 2001-2014 in den Varianten L1H1, L2H1, L2H2 und L1H2 (in abnehmender Anzahl). Einen Mercedes Sprinter wird man in der kleinsten Version eher bei L3H2 einordnen.
Selber ausbauen
Zu den Möglichkeiten, welche Art von Fahrzeugen man (selbst) ausbauen kann, siehe Varianten motorisiert zu Campen. Wir haben uns für den Selbstausbau entschieden weil:
- Ich mir das technisch zugetraut habe.
- Wir uns keine andere Version leisten wollten und der Ausbau so stufenweise erfolgen konnte. Streng genommen wird der Camper im Selbstausbau ohnehin nie fertig.
- Sehr individuell gestalten konnten. Zum Beispiel kann ich bei vorgeschobener Rückbank hinten immer noch eine Palette laden und die Gestaltung der Möbel und Verkleidung dort gestattet es auch gröbere Sachen einzuladen ohne dass gleich alles kaputt und unansehnlich wird.
Der Zeitfaktor
Man muss sich bewusst sein, dass man sehr viel Zeit mit dem eigenhändigen Ausbau verbringen wird. Ich habe nicht gemessen und gezählt. Aber als Richtwert, alleine für die Basis-Isolierung sind mindestens 4 Tage angefallen und dabei ist noch kein einziges Möbelteil gebaut oder eingepasst.
Zeit verplempert man auch mit dem Beschaffen des Materialien zum Ausbau. Sperrholz bekommt man im Baumarkt, das ist noch eine einfache Übung. Aber für übergrosse Platten wie für die Decke braucht es schon Tischlereibedarf und da kann es sein, dass man weit fahren muss. Ebenso verhält es sich mit Waren, die man (online) bestellen muss. Die Lieferzeiten sind manchmal lang, manchmal passt das Teil nicht, manchmal macht man eines kaputt und braucht ein zweites.
Zu bedenken ist je nach Arbeitsort auch die Witterung. Frost und Feuchtigkeit sind nicht nur unangenehm, mache Arbeiten, wie Kleben, kann man unter gewissen Bedingungen nicht machen.
Fehler machen
Man wird beim ersten Mal auch viele Fehler machen. Die meisten sind korrigierbar, man wird viel Sperrholzabfall haben, weil man oft Teile neu zuschneiden muss. Aber man braucht auch viele kleinere Teile, also sollte man nicht alles verschnittene gleich verheizen.
Es gibt sehr wenig Fehler die nicht korrigierbar sind. So haben zum Beispiel viele Angst vor dem Herausschneiden der Fensteröffnungen im Blech. Es ist effektiv blöd, wenn das Loch zu gross ist, aber streng genommen kann das jede Karrosseriewerkstatt sanieren.
Wenn man ehrlich ist, kann man behaupten, dass man beim ersten Ausbau viel Mist baut. Dabei ist der Patzen Pattex im Fahrersitz nur eine störende Kleinigkeit. Fehlbestellungen nerven. Aber auch nach Jahren können sich noch Konzeptfehler offenbaren. Es ist dies aber alles Teil des Hobbys. Beim Nachfolgemodell “wird alles besser”.
Steigt man in einen fix und fertig gebauten Camper ein, so ist man meist von der Fertigungsqualität überzeugt. Sehr schnell merkt man aber, dass es wenig Stauraum gibt, die Fenster nicht isoliert sind, der bis zur Decke ragende Kasten hinten doch viel von der Sicht im Rückspiegel nimmt. Es hat alles Vor- und Nachteile.
Hey,
interessant. Ich suche auch nach einem Renault Trafic oder Opel Vivaro für meinen eigenen Camperausbau. Allerdings würde ich gerne die L2H1 nehmen. Kannst du jetzt nach ein bisschen Erfahrung noch etwas dazu sagen, ob sich da noch irgendetwas geändert hat an deiner Einschätzung von L1H1 zu L2H1?
Viele Grüße
Anna Lena
hallo anna lena,
ich bin nun ein paar mal in einem L2H1 gesessen und diese werden oft so ausgebaut, dass man im innenraum mehr platz hat. man hat also gefühlt mehr raum, der aber nicht nutzbar ist (für gepäck. sportausrüstung und material zb.). baut man so, dass eben diese ausrüstung eine fixen platz hat, hat man keinen gewinn beim wohnraum.
für mich macht L2 nur sinn, wenn man ein klo einbaut und ev. gasflaschen mitführt. das würde sich bei uns nicht wirklich ausgehen.
fahrtechnisch ist der unterschied wahrscheinlich minimal, parkteschnisch (vor allem in Südeuropa) aber schon relevant.
servus, andré