Konkrete Überlegungen zur Anschaffung des Basisfahrzeugs

Thema: vom Lieferwagen zum Camper.


Neben dem Format und der Art des Ausbaus bleiben ein paar Variaten in Bezug auf Marke und Modell. Rein rationell kann man dabei nur die Preisfrage behandeln, der Rest ist eher Geschmacksache.

Marke

Es gibt weniger Marken, die Klein-LKW bauen als PKW-Marken. Faktisch bleiben die grossen Player: VW, Renault, Mercedes, Iveco, etc. Man muss aber beachten, dass die hergebrachten Werte (“Mercedes!”) in dieser Welt nicht gelten. Zum Beispiel werden viele Bauteile für LKW mit dem Stern von Renault gebaut. Im gebrauchten Zustand oder allgemein bei der Langlebigkeit, steht und fällt alles mit der Wartung. Wenn heute 40-jährige VW-Busse mit 450000km um teures Geld angeboten werden, dann ist das weil sehr viel Geld in die Wartung gesteckt wurde (und weil es eine Modeerscheinung ist). Das kann man auch mit einem “Ente” oder einem Lada machen.

Im Bereich unserer Auswahl (unter 5m lang, unter 2m hoch) bleiben nur folgende Marken/Modelle: Renault Trafic, Ford Transit und VW Transporter ab T4, der Mercedes Vito ist zu klein.

VW T4 und T5 waren damals überteuert und erst über 200000km in unserer Preisvorstellung von ca. EUR12000. Bei dieser Kilometerleistung haben einige unserer alten Autos den Geist aufgegeben, solche Werte kamen also nicht in Frage.

Der Ford Transit hätte den Vorteil schön Kastenförmig zu sein. Allerdings waren die damals gebrauchten Modelle schon recht alt und beim querlesen in Foren kam mir immer wieder Rostanfälligkeit unter. In der Tat wird erst ab dem Jahr 2000 voll verzinkt. Wir hatten einmal einen Ford Escort, der nur Probleme machte, also war das auch schnell entschieden.

Blieb der Renault Trafic, den es in der Form seit 2001 gibt, 2014 bekam er ein Lifting. Das Fahrzeug gibt es als LKW wie Sand am Meer, es fährt sich wie ein PKW (im Vergleich dazu ist der T4 ein Traktor). Preislich kam man 2010 an Fahrzeuge unter 50000km zu unter EUR12000,-. Das ist ein stechendes Argument, um dieses Geld bekommt man selten so viel Volumen und gute Fahreigenschaften.

Gebraucht/neu

Wenn man davon ausgeht, dass man einen Camper lange nutzt, dann kann es Sinn machen, dass man ein Neufahrzeug anschafft, unabhängig davon ob man es selber ausbaut oder nicht.

Der Wertverlust in den ersten Jahren eines neuen Fahrzeugs ist so dramatisch und an einem gebrauchten Modell schraubt und sägt es sich leichter. Die Wahrscheinlichkeit eines groben Unfalls ist bei jedem alter gleich hoch, auch fatale Pannen sind bei Neufahrzeugen durchaus nicht selten.

Für uns kam somit nur ein gebrauchter in Frage.

Blech/verglast

Scheiben sind nett zum rausschauen und angenehm beim Fahren. Sie sind hinderlich beim Ausbau und zum Isolieren, sie sind auch eine offene Bühne für Langfinger. An einem Nutzfahrzeug kann man bis auf die Windschutzscheibe und die beiden vorne links und rechts auf alle verzichten. Auf diese Art kann man total diskret bleiben und der Camper unterscheidet sich nicht äusserlich von einem Lieferwagen.

Aber es gibt auch Kompromisse für die Optik und das Wohlempfinden (Licht, Lüftung). Oder Zwänge wenn man eine hintere typisierte Rückbank braucht (zwingend Seitenfenster auf der Höhe der Bank).

Ungünstig sind Originalscheiben: bei Lieferautos sind sie oft fix verbaut und nicht zu Öffnen, das ist beim Lüften sehr unbequem. Jene mit Öffnungen lassen sich meist nicht gross öffnen. Es macht also Sinn, Wohnwagenfenster zu verbauen. Diese sind auch als Fahrzeugfenster zugelassen (Bruchsicherheit). Wohnwagenfenster sind doppelwanding, also recht gut isoliert. Man kann sie in allen Möglichen Grössen bestellen und hat auch etwas Spielraum beim Platzieren.

Es bietet sich also an, eine Vollblech-Variante zu Kaufen, die man anschliessend mit Wohnwagenfenstern selber gestaltet. Achtung: in eine Vollblech-Variante kann nicht ohne Weiteres eine hintere Rückbank eingebaut werden, die beim Fahren genutzt werden darf: Es fehlen oft Verstrebungen im Boden und Versteifungen der Holme für die Gurtfixierung. Diese Teile kann man meist auch nachrüsten.

Rückbank

Sitze vorne zuerst…

Nutzfahrzeuge haben vorne einen Fahrersitz und rechts davon einen Beifahrersitz oder öfter eine Zweier-Bank. Die vordere Bank ist auf allen Marken und Modellen auf Dauer unbequem, bei einigen Modellen ist sogar die Lehne völlig starr. Man kann bei vielen Nutzfahrzeugen die vordere Bank gegen einen einzelnen Beifahrersitz tauschen wenn die Bodenverankerungen für beide Varianten verbaut sind. So kommt man zu zwei bequemen Sitzen vorne, hat dann aber ein grosses Fahrzeug und nur mehr zwei Personen können darin fahren.

Originalrückbank

Oben habe ich geschrieben, dass man besser eine verblechte Variante nimmt, die hat von Haus aus hinten keine Sitzmöglichkeit. Die meisten Nutzfahrzeuge existieren aber auch als 6-, 9- und Mehr-Sitzer (und sind dementsprechend hinten verglast). Die Bänke sind fast immer genau so starr wie die oben beschriebene Bank vorne. Sie stehen sprichwörtlich für die Ausgestaltung als Camper im Weg.

Es gibt Varianten, mit Umklappbarer Rückbank (jedenfalls bei Renault und VW), wo man schnell eine einfache Liegefläche hat. Das kann als Übergangslösung dienen, dauerhaft glücklich wird man damit allerdings nicht, denn die Bank und das Bett gehen meist über die ganze Breite. Kein Platz mehr für ein Seitenmöbel also, je nach Standort der Bank auch kein Platz als “Wohnraum”.

Eine Originalrückbank ist also in den seltensten Fällen brauchbar, auch wenn man zwingend eine typisierte Sitzmöglichkeit hinten braucht.

Schlaf-Sitz-Bank

Es bietet sich an, eine Bank einzubauen, auf der man typisiert und legal angegurtet mitfahren kann, die aber auch zu einem Bett umgestaltbar ist. Der Standort der Bank im Fahrzeug und die Breite können relativ frei gewählt werden. In neueren Fahrzeugen dürfen nur mehr sichere Drei-Punkt-Gurtsysteme verbaut werden.

Kling alles schön, aber es hat auch einen gravierenden Nachteil: der Preis, der bei den EUR4000 liegt. Wenn man bedenkt, dass man gute gebrauchte Basisfahrzeuge um etwas mehr als das Doppelte bekommen kann, dann schmerzt das schon. Der Grund für diesen Preis liegt an der mangelnden Konkurrenz (es wird doch selten gebraucht) und an den Sicherheitsauflagen: Jede Bank muss in jedem Fahrzeugmodell typisiert werden und das kostet dementsprechend. Da es sich um einen Sicherheitsteil handelt, muss die Bank auch durch autorisierte Betriebe verbaut werden.

Im deutschsprachigen Raum ist meist nur Reimo zertifiziert. Trotz Europa-Zulassungen werden italienische Lösungen nicht verbaut. Es ist theoretisch möglich das Fahrzeug im Ausland umbauen zu lassen, das ist aber höchst riskant weil ja im Inland die Zulassung erfolgen muss. Eine positive Nebenwirkung der Reimo-Bank: sie ist auf Schienen und hat zwei Fahrpositionen.

Gebrauchtmarkt Nutzfahrzeuge

Nutzfahrzeuge findet man gebraucht nicht so einfach in Annoncen wie PKWs, das liegt daran, dass es in Summe weniger gibt, aber auch weil es ein anderer Markt ist. Gebrauchte Nutzfahrzeuge werden oft in grossen Stückzahlen von Firmen abgestossen wenn sie ihre Fahrzeugflotte erneuern. So landen viele bei Gebrauchtwagenhändlern die sich auf Nutzfahrzeuge spezialisiert haben. Man findet sie ausschliesslich im Internet über grosse Portale wie mobile.de, autoscout, etc. Auf diesen Portalen sucht man nach Fahrzeugen und merkt dann, dass ein und der selbe Verkäufer mehrere gleiche Fahrzeuge führt.

Im deutschsprachigen Raum sind Nutzfahrzeuge in Deutschland am billigsten, innerhalb Deutschlands im Nordosten. Für Österreicher und Schweizer macht Deutschland auch Sinn, weil es dort ein 5-Tages-Kennzeichen gibt, das auch im Ausland gilt. In den Niederlanden und Belgien gibt es auch oft gute Angebote, aber der Export ist mühsam.

Kilometerleistung bei Gebrauchten

Die Kilometer am Tacho bestimmen im Wesentlichen den Kaufpreis. Wenn man nicht-verglaste Nutzfahrzeuge der Grösse L1H1 mit der Basismotorisierung nimmt, aber den VW Transporter ausschliesst, landet man bei diesen grob skizzierten Preisen, die seit Jahren recht stabil sind:

  • 40000km – EUR12000
  • 80000km – EUR10000
  • 120000km – EUR8000

Eine Bessere Motorleistung schlägt mit mindestens EUR2000 zu Buche weil diese seltener sind. Dafür ändert eine Zusatzausstattung wie Klimaanlage nicht mehr viel am Preis.

VW T4 aufwärts kostet je nach Zustand ein Drittel mehr bis das Doppelte. Es gibt dafür keine rationellen Gründe, die Pannenhäufigkeit ist nicht geringer.

Letztendlicher Kauf

Wir entschieden uns für ein Fahrzeug um EUR11500 mit 45000km, das anscheinend zum Transport von technischen Geräten und Computern benutzt wurde (ich fand dementsprechende Schrauben unter dem hölzernen Fahrzeugboden). Einige wenige Gebrauchsspuren an den Türen, keine vorne an der Motorhaube, mehrere leichte Kratzer im Laderaum, die aber mit dem Ausbau grossteils unsichtbar würden.

Das Fahrzeug: ein Renault Trafic L1H1 Pack électrique, 66KW (90PS), Baujahr 2007, Laderaum seitlich Blech, hinten Flügeltüren mit Fenstern, Ladetrennwand hinter der Fahrerkabine ebenfalls oben verglast. “Pack électrique” bedeutet: Klimaanlage, elektrische Fensterheber, Scheibenwischer hinten und andere praktische Kleinigkeiten.

Die Sachen die ich gerne anders gehabt hätte, aber nicht auftreibbar waren weil viel seltener oder ganz und gar nicht aufzutreiben:

  • Heckklappe: geht bei Lieferwagen nur als Sonderbestellung und ist mangels Verstärkungen im Dach auch nicht nachrüstbar. Die Flügeltüren hinten haben auch einen Vorteil: man bekommt sie auch auf, wenn man eng eingeparkt ist.
  • 115 statt den nur 90PS. die 90PS reichen aus, die 3t mögen ja auch gebremst werden. Aber die Motoren 90 und 115Ps sind inklusive Turbo baugleich und unterscheiden sich nicht im Verbrauch. Es ist lediglich eine andere Steuerung eingesetzt. Das wäre es schon wert gewesen. Tunen ist möglich, kostet aber sauber gemacht ca. EUR600.
  • Die Ladetrennwand habe ich als erstes ausgebaut und nach einiger Zeit einfach zum Müll gebracht weil sich kein Käufer dafür fand.
  • Eine andere Farbe als weiss nur um den Wagen einfacher zu finden.
  • Eine hybrid-Version mit Wasserstoff und 4 elektrischen Radmotoren, also Allrad. Gibt es leider noch nicht ansatzweise.

Man geht zu einer grossen Bank und die hat keine grossen Scheine...

Man geht zu einer grossen Bank und diese hat keine grossen Scheine…

Noch mit deutschen Überstellungskennzeichen. Nach der Fahrt von München-Riem über Garmisch nach Götzens.

Noch mit deutschen Überstellungskennzeichen nach der Fahrt über Garmisch nach Tirol

2 Comments

  • romano 2021.07.28 at 3 h 48 min

    Hallo Andre

    Deine Anschaffung ist zwar schon ne Weile her, aber nachdem ich im 2019 einen L2H1 gekauft hab, möcht ich trotzdem etwas dazu sagen.
    Ich hab mir auf dem Abbruch die alten Trafics angeschaut und bei keinem grössere Rostschäden gefunden. Bei den Transits ist die Lage im Vergleich dazu dramatisch! Trotzdem hab ich bei meinem 2013 Trafic nach einer gründlichen Waschaktion das ganze Fahrzeug mit Hohlraumschutz behandelt. Am Ende wurden es 10kg Material welches in alle Hohlräume und auf die gesamte Fahrzeugunterseite verteilt wurde. Ich denke, wenn man so viel Zeit und Arbeit in einen Camperausbau steckt, dann lohnt sich so eine Aktion auf jeden Fall, zumindest wenn man so wie ich, den Wagen länger behalten möchte ohne sich mit Rost abmühen zu müssen. Ich hab dann auch noch die Anhängerkupplung und die Reserveradhalterung demontiert, pulvergestrahlt und pulverbeschichtet. Diese war nach 5 Jahren schon bös am rosten…
    Eigentlich wollte ich auch einen L1 (Länge unter 5m) weil auf den Fähren (z.B. Kanarische Inseln) dort eine Preisgrenze ist. Der L2 ist etwa 520 cm lang. Trotzdem habe ich bis heute noch nie den Tarif für Fahrzeuge über 5m bezahlen müssen! Innen sind das dann ca. 40 cm mehr Länge, was ich sehr gut brauchen kann. Ich hab dann das dritte Bremslicht mit einer Rückfahrkamera gekauft und so ist das manövrieren auch kein Problem.
    Dein Heckklappenwunsch höre ich immer wieder. ich hab noch einen VW Caddy Maxi mit Heckklappe und danke Gott, dass ich beim Trafic Flügeltüren hab. Das ist erstens viel diskreter und wie du schreibst, kann man auch geparkt jederzeit hinten rein und raus. Das Argument mit dem Regendach habe ich mit einer auf Mass gefertigten Blache gelöst, welche auf die offenen Türen und über’s Dach gelegt und mit Gummizügen auf die Hinterräder gespannt wird. Das funktioniert einwandfrei!
    Deine Meinung zu den Fenstern kann ich nur bedingt teilen. Mein Trafic hat Fenster in den Türen hinten und seitlich in der Schiebetür. Dies sind Fixverglasungen. Ich hab mir dann hinter der Fahrertüre eine originale Scheibe mit Schiebefenster (ca.350Euro) eingebaut und bin mit der Konfiguration sehr zufrieden. Der Vorteil liegt darin, dass das Fahrzeug zu keinem Zeitpunkt als Camper erkennbar ist. Ich parke daher mitten in einer Stadt und gelte als Lieferwagen. Das ist übrigens auch der Grund, warum ich unbedingt einen weissen Wagen wollte!
    Zu sagen wäre auch noch, dass der Serviceintervall beim Trafic 40’000km beträgt. Kauf man einen Wagen mit 90000km war dieser ganze zwei mal im Service (abgesehen von zeitbedingtem Unterhalt wie Bremsflüssigkeit, Bremsklötze etc.) Hinzu kommt, dass der Wagen sehr unterhaltsfreundlich gebaut ist. Alles ist recht gut zugänglich trotz dem relativ stark verbauten Motorenraum. Ich hab übrigens den 115 PS was ich unbedingt empfehlen kann! Verbrauch ohne Dachträger ca. 6.8L/100km im Durchschnitt.
    Ich kann den Trafic also nur wärmstens als Basisfahrzeug empfehlen
    (ich rede hier vom Trafic 1 und 2, Baujahr bis 2014).
    Wünsche viel Spass auf Reisen und Danke für deine vielen interessanten Beiträge!
    Romano

    Reply
  • andre 2021.08.12 at 8 h 45 min

    hallo romano,

    danke für deinen bericht!

    du hast mit den fenstern durchaus recht, aber wir sind viel oder sogar mehrheitlich im winter unterwegs, also weit unter dem taupunkt. da würde es mir dann von den seitenfenstern direkt ins bett rinnen. ich habe nun vor allem die windschutzscheine als kondensationsfläche, doert konzentrieret sich 90% des wassers in der nacht. das sind mehrere liter.

    klar erkennt man dometic-fenster als camper, allerdings nur von der seite. von vorne oder hinten eben nicht. das konnte ich schon ein paar mal bei polizeikontrollen prüfen die dann ganz verwundert waren einen camper vor sich zu haben. ein echtes problem hatte ich dadurch nie, wir stehen aber auch nie in der stadt.

    rost ist bei mir nun nach 14 jahren (erstzulassung) bei den letzten technischen prüfungen immer eine bemerkung wert aber noch kein ablehungsgrund, mehr als die original-versiegelung habe ich nichts drunter. die frage ist, wie lange man so einen lieferwagen wirklich fahren kann. meiner ist gerade in der werktstatt mit kaputtem anlasser. eigentlich ein lächerlichkeit, aber dort wo der verbaut ist es ein tag (!) arbeit (es muss die ganze front weg samt kühler und klimakühler). wenn sich solche sachen kummulieren, kann es dann recht schnell unwirtschaftlich werden. unter umständen ist der rost dann noch nicht mal ein schlagendes element.

    mit dem L2 und dem 115ps hast du sehr recht, war bei mir damals einfach nicht aufzutreiben.

    servus, andré

    Reply

Leave a Reply to romano Cancel Reply

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.